Spice Girl Melanie C spricht im Abendblatt über ihr fünftes Album, die Mutterschaft und die Unruhen in London. Am 29.11. singt sie im Gruenspan.

Hamburg. Als "Sporty Spice" ist Melanie Jayne Chisholm vielen bekannt. Von 1994 bis 2001 feierte sie mit den Spice Girls Erfolge, 2007 gingen die fünf auf Reunion-Tour. Doch als Melanie C macht die Britin seit zwölf Jahren auch solo Musik und hat bisher mehr als zehn Millionen Tonträger verkauft. Jetzt ist ihr fünftes Album "The Sea" bei Warner Music erschienen. Auf der Platte lebt sich die 37-Jährige von Rock über Dance bis hin zu akustischen Songs aus - im poppigen Rahmen, versteht sich.

Nachdem sie eine Zeit lang wegen Depression und Magersucht Schlagzeilen machte, präsentiert sich Melanie C nun kraftvoller denn je. Wir sprachen mit ihr über die Arbeit an "The Sea" und "Girl Power", Mutterschaft, Musik, aber auch den Murdoch-Skandal und die Unruhen in ihrer Heimatstadt London.

Hamburger Abendblatt: Sie haben für "The Sea" mit verschiedenen Songschreibern gearbeitet, etwa mit Guy Chambers, der viel für Robbie Williams komponiert hat. Wie läuft der kreative Prozess ab?

Melanie C: Ich mag es, blank in die Situation hineinzugehen. Erst mal tratschen wir ein wenig, wie man es mit Freunden macht. Dann spielen sie mir einige Akkorde vor, woraus lyrische Ideen entstehen können. Etwas, das zündet. Aus solchen Momenten erwächst der Song.

Bei einem hoch emotionalen Stück wie "Weak", wie tief geht da der Austausch mit dem Songschreiber, in diesem Fall mit der Norwegerin Ina Wroldsen?

Melanie C: Ich habe das erste Mal mit einer Frau an einem Lied geschrieben. Männliche Songschreiber sind zwar sensible Biester, sie stehen in Kontakt mit ihren Gefühlen. Aber wenn es darum geht, sein Innerstes auszudrücken, haben Frauen untereinander einfach mehr Gemeinsamkeiten. In "Weak" geht es um ein Thema, mit dem sich jeder identifizieren kann. Wenn eine Beziehung endet und du dir nicht vorstellen kannst, dich jemals wieder besser zu fühlen. Das ist zwar momentan nicht relevant in meinem Leben. Aber auch mein Herz wurde häufig gebrochen.

Ein weiterer sehr gefühlvoller Song ist "Let There Be Love", eine Adaption von "Lass es Liebe sein" des Berliner Duos Rosenstolz. Wie kam es zur Kooperation mit Sänger und Komponist Peter Plate?

Melanie C: Ich habe am Londoner West End im Musical "Blood Brothers" gearbeitet. Peter hat sich die Show angesehen, danach haben wir viel über Musik geredet. Ein reizender Mann. Er fragte, ob ich eine englische Version seines größten Hits singen möchte. Das war schmeichelhaft, aber auch angsteinflößend. Viele Deutsche lieben dieses Lied, also mussten wir uns echt anstrengen.

Seit zweieinhalb Jahren sind Sie Mutter. Hat das Ihre Musik beeinflusst?

Melanie C: Mein Leben hat sich mehr verändert, als ich zunächst dachte. Ich fühle mich selbstbewusster und zielgerichteter. Denn ich möchte, dass meine Tochter Scarlet stolz auf mich ist.

Spielen Sie Ihrer Tochter Ihre Songs vor?

Melanie C: Ja, im Auto fordert sie meinen Freund sogar manchmal auf: "Los, spiel Mommys Songs!" Dann wiederum, wenn ich singe, sagt sie auf einmal: "Hör auf, Mommy!" Das erdet ungemein.

In der aktuellen Single "Think About It" gibt es die Zeile "Only regret the things that you don't do" (Bedauere nur die Sachen, die du nicht tust). Sind Sie eher ein rationaler oder ein impulsiver Typ?

Melanie C: Im Alltag bin ich ziemlich vernünftig. Vor allem als Elternteil musst du überorganisiert sein, damit alles läuft. Meine Befreiung findet auf der Bühne statt. Dann kann ich frech sein.

Um Ausdruckskraft und Selbstbehauptung ging es auch bei den Spice Girls. Wie blicken Sie auf diese Ära zurück?

Melanie C: Ich sehe vor allem, wie jung wir damals waren. Wir waren ehrgeizig, haben uns fast unbremsbar gefühlt. Wenn fünf Menschen eine Vision teilen, fühlt sich das sehr stark an.

Wenn Sie die Musikbranche heute betrachten: Ist so etwas wie "Girl Power!", das Motto der Spice Girls, noch nötig für Künstlerinnen, um zu sich gegenüber männlichen Kollegen zu behaupten?

Melanie C: Nein, derzeit sind Frauen das Ultimative. Die Mehrheit der großartigsten Popkünstler sind weiblich. Wir haben Beyoncé, Lady Gaga, Rihanna, Katy Perry, Adele. Es ist eine sehr gute Zeit für Frauen, Musik zu machen.

Sie sind seit fast 20 Jahren im Geschäft, waren immer wieder in den Medien präsent. Ihr Song "Stupid Game" ist ein Kommentar zum Spiel mit der Öffentlichkeit. Haben Sie Regeln aufgestellt, wie Sie mit der Klatschpresse umgehen?

Melanie C: In Großbritannien ist mir sehr bewusst, welche Zeitung welche Ausrichtung hat. Es ist traurig, dass du bei bestimmten Journalisten sofort eine Schutzmauer aufbaust. Aber es passiert leider schnell, dass ein einzelner Satz oder auch ein Witz missverstanden wird. Schwierig wird es, wenn sich die Sachen im Internet verselbstständigen. Wie bei diesem Kinderspiel, Stille Post, wo sich die Bedeutung jedes Mal ein bisschen verändert, wenn die Aussage weitergetragen wird. Auf der anderen Seite möchte ich auch meine Meinung sagen können. Ich will nicht langweilig sein. Dafür bedarf es innerer Stärke.

Zuletzt wurde Murdochs Medien-Imperium in Großbritannien wegen unlauterer Praktiken erschüttert. Wird über den Skandal noch viel diskutiert oder ist alles wieder beim Alten?

Melanie C: Das war und ist ein großes Thema, das Parlament hat darüber debattiert. Kurz danach haben die Unruhen in London und anderen Städten alles überschattet. Aber ich glaube nicht, dass die Leute so schnell vergessen. Die Gerichte müssen den Fall jetzt regeln.

Wie haben Sie die Unruhen in London wahrgenommen, wie die Zeit danach?

Melanie C: In England existieren derzeit stark gemischte Gefühle. In London leben viele verschiedene Communities sehr nah beieinander. Das ist Teil unserer Kultur. Ich denke, viele Menschen sind frustriert, weil sie gehört werden wollen. Es gab viele unschuldige Opfer, die Shop-Besitzer zum Beispiel. Aber es sind viele Menschen von den Unruhen betroffen, nicht nur die, die direkt involviert waren. Auf sozialer Ebene muss etwas getan werden. Warum junge Leute so fühlen, sich so verhalten - das sind wichtige Fragen. Die Regierung hat viel Arbeit vor sich, das ins Lot zu bringen. Aber wir sind nicht allein, in der gesamten westlichen Welt ist das ein Problem.

Melanie C Di 29.11., 20.00, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Karten zu 36,40 im Vvk.; www.melaniec.net