Das Theater für Kinder verzaubert in “1001 Nacht“ mit fantasievollen Bildern, Klaviermusik und der märchenhaften Kraft des Erzählens

Hamburg. Es ist ein uralter Trick. Erzählt jemand eine Geschichte und unterbricht sich an einer spannenden Stelle, sind alle Zuhörer neugierig, wie die Handlung wohl weitergeht. Nicht anders verfährt die kluge Schahrasad, vielen besser bekannt als Scheherazade, die dem Herrscher Schariyar in der Märchensammlung "Tausendundeine Nacht" von Prinzen und Prinzessinnen, vom Greifvogel Ruch oder Sindbad, dem Seefahrer erzählt, um sich und andere Frauen vor dem Tod zu retten. Denn der durch eine untreue Geliebte rachsüchtige Sultan hat geschworen, jede seiner künftigen Frauen nach einer Nacht zu töten, um nicht mehr betrogen zu werden. Die so schlaue wie selbstbewusste Schahrasad vermag den Eifersüchtigen mit der Kraft ihres Erzählens zur Besinnung zu bringen - und rettet ihr Volk.

Ist aber die so grausame wie schöne Geschichte über diese intelligente und mutige Frau auch für Kinder geeignet? Bei der spannenden und zauberhaften Aufführung "1001 Nacht" im Theater für Kinder stellt sich diese Frage gar nicht. Denn die Autorin Barbara Hass verwendet ihrerseits einen Trick und macht eigentlich den kecken Geist aus dem Zyklus "Kaufmann und Dschinni" zu eigentlichen Hauptfigur. Dschinni, ein quicklebendiger wuscheliger Kobold (Constance Stock), ist vom ersten Moment in Claus Gutbiers Inszenierung der Liebling der Kinder. Der "orientalische Pumuckel" öffnet die beiden golden glänzenden Buchdeckel - und schon spannt sich zwischen ihnen ein nachtblau schimmernder Sternenhimmel mit Sichelmond (Bühne: Katrin Kegler). Dschinni führt dann durch die vier Episoden, mischt sich auch ins Spiel ein und übernimmt andere Rollen.

Das ist nun ein Trick von Regisseur Gutbier. Denn die Erzählerin Schahrasad (Luisa Taraz) verwandelt sich ebenfalls in die Figuren, von denen sie berichtet. Ein Tuch - turbanartig um den Kopf gebunden - macht sie zum verwegenen Seefahrer Sindbad, den Dschinni als Matrose begleitet. Auch die beiden von Barbara Hass in farbig schillernde Brokatsstoffe gewandeten Zuhörer - der Sultan (Ralf Hutter) und sein Bruder Schasaman (Achmed Ole Bielfeldt) - werden zu Mitakteuren von Schahrasad und ihrer Schwester Dinarasad (Sarah Hannemann).

Der Fantasie wird Spielraum gegeben: Der mächtige Löwe verwandelt sich in ein rollendes Kamel; vom riesigen Greifvogel Ruch sind nur die Beine zu sehen, während sich sein rot geschnäbeltes Junges in eine veritable Ei-Schale kuschelt. Und wer spielt das entzückende Vogelkind? Dreimal darf man raten.

Die malerischen Bilder und Kostüme, das spielfreudige Ensemble ergänzt um eine weitere Farbe der Klangzauber von Nikolai Rimski-Korsakows "Scheherazade". Die Orchestersuite in der Fassung für Klavier zu vier Händen interpretieren live Erike Kirsch und Michele Schröder und unterstreichen noch das orientalische Kolorit.

"1001 Nacht" bis 29.1. 2012, Theater für Kinder, ab 5 Jahren, Vorstellungen Sa/So 14.30, vom 1.-16.12. auch Mi u. Do 16.00, Karten unter T. 38 25 38; www.theater-fuer-kinder.de