Roman Polanski hat Yasmina Rezas Theaterstück “Der Gott des Gemetzels“ verfilmt

Gefangen in den eigenen vier Wänden. Roman Polanskis neuer Film "Der Gott des Gemetzels", nach Yasmina Rezas gleichnamigem Theaterstück, spielt fast 80 Minuten in einer Mietwohnung in Brooklyn. Eingerahmt wird der Film nur durch zwei Außenszenen, in denen die Kamera aus der Ferne auf den Brooklyn Bridge Park blickt. Eine Rasselbande elfjähriger Jungs gerät beim Spielen aneinander - bis einer seinem Gegner mit dem Stock zuleibe rückt. Dieser stumme Prolog ist ein wunderschöner Kontrast zu den Wortgefechten, die Reza und Polanski abfeuern.

In der nächsten Szene besuchen Alan (Christoph Waltz) und Nancy Cowen (Kate Winslet) Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly) in ihrer Wohnung. Der Sohn des einen Paares hat dem Sohn des anderen Paares mit besagtem Stock zwei Zähne ausgeschlagen. Nun soll es darum gehen, eine Versöhnung der Streithähne vorzubereiten. Ganz in Ruhe, höflich und zivilisiert, bei Kaffee und Kuchen. Doch dann brechen, ganz allmählich, die Krusten des Anstands auf. Bei Alan zum Beispiel. Der desinteressierte Anwalt telefoniert andauernd, Penelope hingegen gefährdet ein ums andere Mal mit gezielt gesetzten Nadelstichen das mühsam austarierte Gleichgewicht zwischen den Paaren. Michael, bodenständiger Besitzer einer Eisenwarenhandlung, überdeckt mit Jovialität und Konfliktscheu sein cholerisches Temperament, Nancy wiederum versucht, die Unhöflichkeit ihres Mannes abzufedern und stopft dabei zu viel Kuchen in sich hinein. Plötzlich fliegen Tulpen und Handtaschen durch die Luft, Nancy entleert ihren Magen ausgerechnet über den kostbaren Bildbänden Penelopes.

Boulevardtheater nennt man das wohl, und vielleicht ist damit schon eine kleine Schwäche des Films benannt: Polanski erlaubt seinen Darstellern, die Slapstickmomente der Vorlage voll auszuspielen und dabei auch zu übertreiben. Dass es hier noch um mehr gehen könnte, um Klassengegensätze zum Beispiel oder Geschlechtsunterschiede geht in dem Tohuwabohu, das auch vor gelegentlichem Klamauk nicht zurückschreckt, unter.

Das ändert gleichwohl nichts an der Souveränität, mit der Polanski die filmischen Mittel beherrscht. Die Beschränkung durch Raum und Zeit hebt er durch eine Vielzahl von Winkeln und Perspektiven auf, die Kamera isoliert in starren Einstellungen die Charaktere oder setzt sie mit fließenden Bewegungen in Beziehung zu anderen. Am Schluss haben alle Beteiligten ihre Masken verloren, der letzte Hauch von Zivilisiertheit ist dahin. Die Kinder haben sich da - welch schöne Ironie - längst vertragen.

Bewertung: empfehlenswert

Der Gott des Gemetzels Frankreich/Polen/Deutschland 2011, 79 Minuten, ab 12 Jahren, R: Roman Polanski, D: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly, täglich im Abaton (OmU), Holi, Passage, Streit's (OF), Zeise; Infos im Internet: www.gottdesgemetzels.de