Die Rockband The Devil's Blood und ihr neues Album “The Thousandfold Epicentre“ sind Musik von Besessenen für Besessene.

Dieser Mann ist ein Irrer, ein Besessener, womöglich gefährlich. Das jedenfalls kann glauben, wer Selim Lemouchi, Kopf der niederländischen Okkultrockband The Devil's Blood, auf der Bühne erlebt. Mit entrücktem Blick bearbeitet er am rechten Bühnenrand seine Gitarre, der nackte Oberkörper unter der verranzten Lederjacke mit Tierblut übergossen; ein Berserker, der die rauschhaften Konzerte seiner Band "Rituale" nennt und mit seinem Interesse an okkulten Praktiken von Voodoo bis Satanismus polarisiert.

Doch wer Selim Lemouchi abseits der Bühne erlebt, lernt einen ganz anderen Menschen kennen. Einen, der bedächtig und mit leiser Stimme spricht, der die Worte abwägt und erklärt, dass The Devil's Blood ein Werkzeug auf seinem ganz individuellen Weg zur Befreiung sei. Missionieren wolle er jedenfalls niemanden. "Ich kann mich an Konzerte hinterher kaum erinnern", sagt er. "Aber ich spüre noch die Energie. Manchmal hält so ein Erlebnis Monate vor."

Das Debüt "The Time Of No Time Evermore" war 2009 ein Donnerschlag, ein absolutes Meisterstück voll unwiderstehlicher Riffs, das der Band eine fanatische Gefolgschaft bescherte. Entsprechend hoch die Erwartungen, die auf dem Nachfolger "The Thousandfold Epicentre" lasteten, angeheizt durch die Vorabveröffentlichung einzelner Songs als YouTube-Clips. Wochenlang ging das so, doch nun steht das Album endlich in den Läden - als CD in einer edlen Überformatverpackung mit Goldprägedruck und 36-seitigem Booklet, das von einem anonymen Künstler gestaltet wurde. Lodernde Feuer, nackte Körper, Riesenschlangen, Skelette und weit aufgerissene Augen bestimmen die Bilder, die die insgesamt elf Songs illustrieren. Rauschhaft wirken sie, so rauschhaft wie die Musik von The Devil's Blood: der wichtigsten Band seit Jahren, die das Beste der 60er und 70er mit dem Sound von heute vereint.

Über die Texte möchte Selim Lemouchi nicht sprechen, um "die Erfahrungen der Zuhörer nicht zu beeinflussen", doch sanftes Liebesgesäusel ist von dieser Band natürlich nicht zu erwarten. Hier geht es um einen "Cruel Lover", wird das "Fire Burning" besungen und zum Abschluss Derwischen gleich der "Feverdance" getanzt. Musikalisch verortet irgendwo zwischen Psychedelic Rock und melodieverliebtem Power Metal.

Verantwortlich für diese suchterzeugende Mixtur sind in erster Linie Selim Lemouchi, der fast alle Songs im Alleingang geschrieben hat, und seine Schwester, Sängerin Farida.

Für die anderen Musiker bleibt da, böse ausgedrückt, nur die Rolle der Erfüllungsgehilfen, die den bandtypischen Wall of Sound garantieren. Hypnotisierende Gitarrenduelle inklusive, die live immer weiter ausgedehnt werden und Band wie Publikum in eine Art kollektive Trance zwingen. Da ist dann nur noch der Mahlstrom der Riffs, die jeden Gedanken abschneiden und das Endorphin durch die Blutbahn rauschen lassen. Ganz besonders beim aktuellen Achteinhalb-Minüter "The Madness Of Serpents". Schade, dass diese Nackenhaar aufrichtende Hymne wegen der eingesetzten Synthies und der gedoppelten Gesangsspur bei Konzerten nur selten zu hören sein dürfte.

"Ich bin ein eher negativer Mensch und manchmal ist es schwer, mit mir auszukommen", sagt der Lockenkopf aus Eindhoven. Große Kunst braucht offenbar schwierige Charaktere, von ihrer Sache vollkommen Besessene. Wie Selim Lemouchi.

The Devil's Blood: "The Thousandfold Epicentre", Van Records/Soulfood; www.thedevilsblood.com ; Konzert: Fr 13.1.2012, Markthalle