Beim “Blind Date“ nach dem gleichnamigen Film von Theo van Gogh in der Zentrale versucht ein Paar den Neuanfang.

Hamburg. Sie bevorzugen die Schummrigkeit einer Bar, die Nachtschattengewächse, die Verzweifelten, die Glückssucher. In der von Alia Luque eingerichteten Aufführung von "Blind Date" nach dem gleichnamigen Film von Theo van Gogh wirkt die Theaterbar Zentrale plötzlich wie ein Kuppelcafé. Überall laden Rosen auf den Tischen zum trauten Tête-à-tête. Die Beleuchtung ist gedimmt. Fehlen nur die Telefone zwecks Anbahnung einer Herzensangelegenheit. Ein liebenswert raubeiniger Bernd Grawert führt hier als Zauberer durch einen Abend der Identitätswechsel.

Mal ist er ein "süßer" Mann, mal ein Journalist, mal ist er blind. In der wunderbaren Oda Thormeyer trifft er auf eine gesellige, katzenhafte, launische oder ihn sogar aggressiv anherrschende Frau. Dafür wechselt sie nur mal eben die Jacke oder löst ihr Haar. Kleinste Veränderungen in Kostüm oder Stimme deuten den Rollenwechsel an.

Man hat sich per Zeitungsannonce verabredet. Dabei gerät der Grund der Versuchsanordnung bald zur Nebensache. Denn Janna (Thormeyer) und Don (Grawert) sind ein Paar, das seine Tochter bei einem Unfall verloren hat. Janna steuerte, während Don sie mit Witzen ablenkte. Nun versuchen beide einen Neuanfang und verabreden sich per Kontaktanzeige mit vorgezeichneten Charakteren. Doch nach wenigen Minuten gehen die Treffen meist mit lautem Türenknallen zu Ende.

Die Blind Dates des Paares sind Dokumente der Hilflosigkeit, Versuche, unwiederbringlich Verlorenes zu retten und der Beziehung eine neue Richtung zu geben. Die Sätze geraten bedeutungsschwanger. "Das Leben geht weiter. Nicht immer. Nicht für jeden", sagt Janna. Thormeyer verleiht ihr mal eine schmerzliche Brutalität, mal eine spürbare Zerbrechlichkeit. Grawert gibt einen unendlich traurigen Komiker ab.

Als Magier beherrscht er ein paar Kartentricks, aber das Glück lässt sich nicht so einfach herbeizaubern. Auch die famosen Darsteller können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Theateradaption von August Zirner an vielen Stellen Stringenz und Tiefe vermissen lässt. Die von Grawert kommentierten Karaoke-Videos vom Karneval in Rio sollen wohl die Schwere nehmen, landen aber bei unsinnigen Schnitten.

"Blind Date" hat nichts von der Drastik, die viele Werke des niederländischen Filmregisseurs van Gogh ausstrahlen. Die Form des psychologischen Kammerspiels wählte er bereits für sein Erfolgsstück "Das Interview". Van Gogh galt als politisch inkorrekter Provokateur und strittiger Diagnostiker einer grenzenlos liberalen Gesellschaft. 2004 wurde er auf offener Straße in Amsterdam von einem islamischen Fundamentalisten ermordet.

"Blind Date", 27.11., 6.12., 22.12., jew. 20.30, Theaterbar Zentrale (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten 20,-; T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de