Hamburg. So gewinnend und jungenhaft Nikolai Tokarev beim Auf- und Abtreten auch lachen kann - wenn der junge Russe am Klavier sitzt, entwickelt er eine unglaubliche Energie und finstere Entschlossenheit. Vor einem Jahr war Tokarev zuletzt in Hamburg zu hören. Damals stürmte er mit jugendlichem Elan durch Tschaikowskys Erstes Klavierkonzert - und überrannte dabei auch manch zarten Lyrismus. Am Montag spielte Tokarev nun mit dem BBC Symphony Orchestra unter Jiri Belohlávek erneut in der Laeiszhalle; mit Griegs Klavierkonzert a-Moll hatte er diesmal ein Stück im Gepäck, das fürs Pianoathletentum geschaffen ist.

Schon bei den einleitenden, wuchtigen Akkorden des Klaviers hebelte sich Tokarev mit der Kraft seiner Attacke buchstäblich vom Hocker. In den schnellen Passagen kauerte er sich dagegen zusammen und fixierte die Tasten wie eine Schlange das Kaninchen. So meisterte Tokarev jede technische Schwierigkeit mit der Gespanntheit und Geschmeidigkeit eines Reptils. Probleme gibt es für einen wie ihn eher, wenn er einen Gang herunterschalten muss. Bezeichnenderweise schlich sich just im träumerischen Adagio ein Moment der Unkonzentriertheit ein.

Belohlávek und sein Londoner Vorzeigeorchester kamen zum Konzert-Auftakt dagegen nur stockend in die Gänge. Der Maestro legte bei den ersten Takten von Wagners "Tristan und Isolde"-Vorspiel nämlich extra lange Kunstpausen ein, die nicht in der Partitur stehen. Aus diesem fragmentierten und spröden Anfang ließ Belohlávek Vorspiel und "Liebestod" sich langsam entfalten. Der zweite Teil nach der Pause war mit Dvoráks "Das goldene Spinnrad" und Janáceks "Taras Bulba" dann zwei Sinfonischen Dichtungen tschechischer Komponisten gewidmet. Deren wunderbare Mischung aus Volkston und hoch entwickelter Instrumentierungskunst gelang dem Orchester nun rundum überzeugend.