Der auf Aktfotografie spezialisierte Künstler Andreas H. Bitesnich zeigt in der Galerie Mohr die Stadt der Städte in all ihrer Körperlichkeit

Hamburg. Es gibt Fotos, auf denen Liebe sichtbar wird. Die Liebe des Menschen hinter der Kamera zu dem Objekt, das er ablichtet.

Seit 1994 hat der Fotograf Andreas H. Bitesnich die Stadt New York in all ihren Facetten festgehalten. Er hat, wie jeder Besucher und Bewohner es am besten tun sollte, die Metropole zu Fuß erkundet. "Jeder Schritt bringt eine neue Überraschung, während sich das lebende Bild vor deinen Augen ständig verwandelt", erklärt der Österreicher in seinem Buch "Deeper Shades - New York". Parallel zum Erscheinen seines kunstfertigen Schwarz-Weiß-Bandes sind in der Monika Mohr Galerie am Mittelweg ausgewählte Werke dieser urbanen Liebeserklärung zu sehen.

Bitesnich, der auf Aktfotografie spezialisiert ist, zeigt die Stadt der Städte in all ihrer Körperlichkeit. Die Spitze des Flatiron Buildings ragt wie ein Schiffsbug in einen Himmel, der grau und grobkörnig ist, sodass sich die Aufmerksamkeit ganz auf die Konturen des Gebäudes konzentrieren kann. Auf das Mauerwerk, die Ornamente, auf den Schwung des Daches. Eine Reflexion in einem Fenster durchbricht die Ebenmäßigkeit. Ein poetisches Moment.

Wie bei jeder großen Liebe zeigt Bitesnich die Angebetete zwar auch von ihrer schönen, klassischen Seite. So fotografiert er zum Beispiel akkurat symmetrisch die Brooklyn Bridge. Doch viele Aufnahmen verraten, dass seine Beziehung zu New York tiefer geht.

Eine melancholische Aura greift Raum, wenn Straßenschluchten dunkel daliegen und lediglich drei Autos in einer Reihe an der Ampel auf ihr Signal warten. Wie unter Liebenden versteht er es, auch noch die kleinsten Zeichen wahrzunehmen und ihnen zugleich ihr Geheimnis zu lassen. Dem Betrachter entfaltet sich so eine Ikonografie der Stadt, die dem steten Wandel unterliegt. New York ist in den Bildern Bitesnichs ein schillerndes Provisorium - und somit Sinnbild für das Leben selbst. Aufgesprühte Fußgänger- und Radfahrer-Embleme auf dem Asphalt ordnen den Fluss der Millionen. Doch die Symbole sind selbst wieder mit Zeichen bekritzelt, erhalten so zusätzliche Bedeutung.

Alte und neue Sinnbilder New Yorks verdichten sich in Bitesnichs Werken. Der Prototyp eines Polizisten scheint ein riesiges Werbegesicht zu bewachen. Und das Logo der Firma Apple schwebt einem postmodernen Götzen gleich an der Fifth Avenue. New York - eine konsumierende, eine kommunizierende Stadt. Wie die Frau, die in der U-Bahn in ihr Mobiltelefon tippt, während sie zwei Spiderman-Ballons in Händen hält, die "Happy Birthday" wünschen.

Ebenso wie der Mensch, das weiß Bitesnich, wird auch eine Stadt erst durch ihre Widersprüche attraktiv. Und so feiert er die Gleichzeitigkeit des vermeintlich Unvereinbaren. Zwei stiernackige Kerle mit nacktem Oberkörper vor dem Guggenheim-Museum. Ein Akrobat, der über Körper hinwegfliegt, während hinter ihm die ehrwürdige New York Public Library ruht.

Und wie jeder gute Liebhaber betrachtet Bitesnich das Objekt seiner Begierde ab und an aus der Distanz, um Veränderungen zu bemerken. In New Yorks Skyline ragen die Wassertanks noch über den Dächern empor. Ebenso das Empire State Building. Doch neue Wolkenkratzer stoßen hinzu. Und beim Blick von der Staten-Island-Fähre fehlt das World Trade Center, während die Möwen nah vor der Linse fliegen und die Insel Manhattan kleiner wird.

New York, New York: bis 14.2.2012, Galerie Monika Mohr (Bus 15, 109), Mittelweg 45, Di-Fr 12.00-18.00; Andreas H. Bitesnichs Buch "Deeper Shades - New York" ist in der Galerie für 55,- erhältlich.