Zwei neue Zeitschriften denken über das Leben nach. Eine kommt aus Hoheluft

Hamburg. Die Philosophen liefern sich seit Aristoteles und den anderen ollen Griechen einen Ideenwettbewerb: So nun auch die beiden der Philosophie gewidmeten Magazine, die neu am Kiosk liegen. Das eine trägt den sehr pragmatischen Titel "Philosophie Magazin" und ist der deutsche Ableger einer französischen Publikation (richtig: "Philosophie Magazine"). Das andere heißt sehr charmant "Hohe Luft", weil es an der Hoheluftchaussee in Hamburg gemacht wird und gleichzeitig, so steht es im Editorial, "zum Höhenflug" ansetzen will. In der Philosophie seien die Gedanken frei, sagt das Team um Chefredakteur Thomas Vasek.

"Hohe Luft" ist natürlich der viel bessere Name, und auch über die Titelfindung hinaus ist den Magazinmachern ein attraktives Produkt gelungen. Die Themenmischung hebt auf angenehme, aber nicht zu leichte Konsumierbarkeit ab. Der Leser findet alltagsphilosophische Fragestellungen ("Können Tränen denken?", "Du sollst nicht lügen") und lebensnahe Themen ("Wofür lohnt es sich zu leben?"), aber auch Lehrstunden aus der Geschichte der Philosophie (Nietzsche, Machiavelli). Man stößt auf jedoch auch auf sehr Heutiges, auf zuletzt häufig durch den Diskurs gehetzte Meinungen über das Internet zum Beispiel. Ob wir immer vergesslicher werden, weil Google unser Wissen speichert? Nicht alle kognitiven Prozesse laufen im Kopf ab, behaupten seit einiger Zeit manche Philosophen. Da kann man sie doch in der Tat an das iPhone delegieren.

Intellektuelle Miniaturen und kleinere Denkstücke runden das Angebot ab. Die Häppchen sind allerdings, und das muss gar kein Nachteil sein, nicht philosophische Überlegungen im eigentlichen Sinn, sondern eher kulturgeschichtliche und gesellschaftspolitische Wortmeldungen. Mal geht es um den ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Historikerstreit, mal um den Erfolg der Piratenpartei.

Auch im "Philosophie-Magazin" geht es um geisteswissenschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge. Wie die "Hohe Luft" verzichtet die in Berlin erscheinende Zeitschrift nicht auf den antiken Meisterdenker Sokrates oder die berühmtesten lebenden deutschen Philosophen. Wie beim Hamburger Konkurrenten ist die Gestaltung (viele Bilder, großzügiger Satz) leserfreundlich, ohne, nun ja, zu luftig zu sein - "Hohe Luft" hin oder her. Die Berliner Redaktion sitzt übrigens in Prenzlauer Berg, dort ist die Luft um einiges schlechter als in Hamburg.

Stickig ist es nicht auf den Seiten, ganz im Gegenteil: Die sehr praxisbezogenen Denkunternehmungen spannen weit die Flügel aus. Sie widmen sich der Frage, warum wir Kinder haben (lesenswert!), erklären mit Daniel Kehlmann die Dramentheorie des Aristoteles und blicken mit Juli Zeh auf aktuelle Gerichtsfälle.

Bei den Berlinern treibt sich mehr Prominenz als bei den Hamburgern herum, und natürlich macht es etwas her, dass die beiden Australier Peter Singer und Julian Assange im Auftrag des Magazins miteinander diskutieren.

Wir sehen Assange vor seinem Macbook sitzen - die Skype-Verbindung in die Außenwelt steht. Assange, dessen Stern, wenn nicht alles täuscht, rapide gesunken ist, darf ein paar Dinge zur Arabischen Revolution sagen und auch Überraschendes: "Ich bin kein großer Freund der Transparenz." Das hätte man jetzt nicht gedacht. Dass er die Rechtsphilosophie von der ethischen unterscheidet, erscheint dagegen logisch. Wer noch mal wissen will, warum es moralische Problemstellungen gibt im Hinblick auf WikiLeaks, der lese die Diskussion zwischen Assange und Singer. Die Berliner Zeitschrift erscheint insgesamt etwas substanzieller, was vor dem Hintergrund ihrer Geschwisterexistenz mit der französischen Ausgabe nicht weiter wundert. Gelungen sind freilich beide Hefte. Sie zeigen, wie philosophische Systeme unseren Alltag beschreiben helfen. Angst vorm Elfenbeinturm muss bei der Lektüre niemand haben.