Der Weihnachtsknaller “Witte Pracht“ scheut weder Kalauer noch Klischee

Hamburg. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Beichtet die Tochter (forsch: Anna Lena Graff) jedoch dem Papa (Robert Eder), dass auch sie ein Kindlein bekommt, noch dazu von ihrem Freund aus dem vorderen Orient (Yilmaz Bayraktar), ist es um den Frieden geschehen. Nicht die einzige "schöne Bescherung" in Stefan Vögels Farce "Witte Pracht" im Ohnsorg-Theater. In der plattdeutschen Bearbeitung von Meike Meiners und Sandra Kecks lautstark und pointiert inszeniertem Dauer-Familienstreit zur Heiligen Nacht kommen Weihnachtshasser wie auch unverbesserliche Christbaum-Liebhaber voll auf ihre Kosten.

Weißes oder rotes Lametta? Das ist hier die Frage. Oma Ida (Edda Loges) schmückt die Tanne in Katrin Reimers gemütlicher guter Stube. Sie nervt mit ihrer Harmoniesucht den Zigarre qualmenden Knurrhahn von Gatten (Wilfried Dziallas). Wie alle Jahre wieder werden die Kinder und Enkel erwartet. "Womit habe ich das verdient, erst der Russlandfeldzug und dann das", mosert Opa Jakob.

In diesem Stil geht es weiter. Nach der simplen Dramaturgie "Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte" lässt der Autor und Kabarettist Vögel eine Katastrophe auf die nächste folgen, ein Klischee dem anderen. Lügen und rassistische Vorurteile kommen ans Kerzenlicht, Sünden der Vergangenheit und falsche Verdächtigungen. Die Generationen geraten ziemlich unsanft aneinander. Auch in der Ehe von Herbert und Edith (Meike Meiners) kriselt es, Onkel Eugen (Olaf Kreutzenbeck) ist sternhagelvoll, und die einsame Trudi (Beate Kiupel) wird plötzlich zur Tante - und ist nicht mehr ohne "heilige Family". Darob reißt Oma Ida endlich die Geduld und der Hirschbraten landet auf dem Boden. Mahlzeit!

Ganz wie im echten Leben, urteilten die Zuschauer selten einig bereits in der Pause und amüsierten sich in Gedanken an die eigenen erlebten Festtagspannen. Regisseurin Keck hält noch ein besonderes Geschenk parat: Sie bringt den ersten Breakdancer in der Geschichte des Ohnsorgs auf die Bühne. Der Fanklub von Yilmaz jubelte im Rang, die Senioren im Parkett wunderten sich. Auch das ist Weihnachten: beim Ritual der heiligen Gewohnheiten eine Überraschung zu erleben.

Witte Pracht bis 14.11., Ohnsorg-Theater, Karten unter Tel. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de