... aber dazu muss der Held des Bestsellerautors Louis Begley durch die Hölle gehen. Warum? Wir haben ihn gefragt

Hamburg. Die wohlhabende Ostküstenelite der USA, das ist die Welt der Romanhelden von Louis Begley: Anwälte, Filmproduzenten, Erfolgsautoren oder Ärzte. Viele von ihnen mit Zweit- oder Drittfrauen, einem satten Konto und Kindern, die irgendwo leben, wenn es nur weit genug weg ist von den Eltern. Doch die Annehmlichkeiten ihres Lebensstils - mit Putzfrauen, Sekretärinnen, Gärtnern, manchmal auch Chauffeuren - stehen oft in krassem Widerspruch zu den Herausforderungen und Schicksalsschlägen, die der Autor Begley für sie vorgesehen hat.

Louis Begley war selbst einer der erfolgreichsten Anwälte einer renommierten New Yorker Kanzlei, als er mit mehr als 50 Jahren seinen ersten Roman schrieb: "Lügen in Zeiten des Krieges", er sollte sich zum Weltbestseller entwickeln. Mit "Schmidt" erfand er 1997 eine Romanfigur, die ihm vordergründig zu ähneln scheint. Schmidt ist, wie sein Erfinder, Anwalt in New York und mit Geld gesegnet. Doch anders als Louis Begley hat sich Schmidt vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet. Schmidts Frau stirbt an Krebs, seine einzige Tochter heiratet einen habgierigen Mann und will mit dem Vater nichts mehr zu tun haben. Schmidt verliebt sich in eine puerto-ricanische, viel zu junge Kellnerin. So viel erfahren wir im zweiten Teil, "Schmidts Bewährung", in dem sich Schmidts Leben mehr und mehr zu einem Albtraum entwickelt. Durch die Prüfungen, die das Leben für ihn bereithält, geht Schmidt mit bemerkenswerter Leichtigkeit.

All diese Motive führt Louis Begley auch in seinem soeben erschienenen, dritten Teil vor - "Schmidts Einsicht", in dem Schmidt Katastrophen biblischen Ausmaßes begegnen. Es sind Tragödien, die Begley in ungeheuer eleganter, leichter und distanzierter Sprache schildert, sodass man beim Lesen nur so durch die Seiten fliegt. Ob Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte, alle Menschen treibt nur eines an: Egoismus, Gier und Triebhaftigkeit. Umgeben von guten Rotweinen, schönem Essen, edlen Hotelsuiten oder dem Luxus privater Helikopterflüge sowie ewig gut gefüllter Konten erscheinen Raffgier, Ehebruch, Missgunst und Konkurrenzneid umso monströser. "Ich habe wirklich Vergnügen daran, mir all das auszudenken. Zu beschreiben, wie diese Erfolgsmenschen von Erschütterungen getroffen werden, Wunden erhalten und vereinsamen", sagt Begley. "Natürlich gibt es auch Figuren wie den ägyptischen Juden Mike Mansour, der mit Geld nur so um sich wirft, den ich wirklich komisch finde."

Albert Schmidt, der nun ein feudales Rentnerdasein als Direktor von Mansours Kulturstiftung führt, erwacht am Silvestermorgen des Jahres 2009 in seinem großen Haus in Bridgehampton mit eindeutigen Gefühlen: "Noch sechzehn Stunden, dann war wieder ein beschissenes Jahr vorbei, beschissen, wie das ganze letzte Jahrzehnt." Rückblickend nehmen wir an den vergangenen Jahren teil, an seiner Liebe zu Alice, der schönen Ehefrau eines ehemaligen Kollegen. An den Streitereien mit seiner Tochter und deren Schwiegereltern, den Diskussionen über Politik (Häme für Clinton, Hass auf George W. Bush, Hoffnung für Obama), den Geschäften mit Europa, den Intrigen und den außerehelichen Eskapaden der gereiften Herren, die sich noch längst nicht zur Ruhe setzen wollen.

Schmidt allerdings muss mehr als die üblichen Schicksalsschläge hinnehmen. Warum? Dazu sagt Louis Begley, der sehr leise und gewählt spricht: "Ich kann es nicht erklären. Aber dieser Roman erforderte einen logischen Zusammenhalt. Schmidt muss leiden wie Hiob. Nach den Gesetzen der Notwendigkeit muss er sehr viel leiden, um zu reifen. Ich habe wirklich geweint, als ich seine Tochter Charlotte geopfert habe. Aber es gab keinen anderen Weg. Schmidt hatte viele Hoffnungen. Aber sie haben sich nicht erfüllt. So geht's im Leben."

Familienleben ist ein Quell des Unglücks, so erkennen wir in Begleys Roman, doch selbst plaudert er gern über sein glückliches Familienleben. "Ich habe zu meinen Kindern und Stiefkindern ein wunderbares Verhältnis. Doch ich bin mir bewusst, dass das Eis, über das ich gehe, oft sehr dünn ist. Aber seien Sie doch mal ehrlich", sagt Begley herzhaft lachend, "es gibt nichts Langweiligeres, als über ein glückliches Familienleben zu erzählen." Und auch über Eltern und ihre Beziehung zu ihren Kindern weiß Begley Bescheid, wenn er über Schmidt und dessen Tochter Charlotte befragt wird: "Ich glaube, alles, was falsch laufen kann, läuft falsch. Eltern-Kind-Beziehungen sind voller Gefahren und Komplikationen. Woher soll man wissen, warum manch ein Kind sich in ein kleines Monster verwandelt? Gründe dafür gibt es sicher genug. Für Charlotte war es schwer, dass ihre Mutter zu früh gestorben ist. Dass ihr Vater dann eine Affäre mit einer jungen Frau begann. Und dass ihre Schwiegermutter, eine Analytikerin, eine wahre Hexe ist." Hier grinst er hämisch und gibt seiner Abneigung gegenüber dieser Kaste nach.

Ist Albert Schmidt, dieser kultivierte und recht triebhafte, unglückliche Mensch ein Alter Ego seines Autors? "Nein, natürlich nicht", erklärt Louis Begley, der Schmidt äußerlich sich selbst nachempfunden hat. "Er hat meine Ticks. Er isst gerne gut, hasst schlechtes Benehmen, ist sehr diszipliniert, denkt analytisch, hält seine Gefühle unter Kontrolle und teilt einige meiner politischen Ansichten", sagt Begley. Aber Schmidt ist manchmal ein bisschen antisemitisch und oft sehr einsam, ganz anders als Begley. Der möchte, "wenn es meine Gesundheit und mein Geist erlaubt", noch einen vierten Roman über Albert Schmidt, seine geliebte Alice und die Ostküsten-Gesellschaft schreiben. Freuen wir uns drauf. Schließlich hat sich Schmidt im Verlauf von "Schmidts Einsicht" gefühlsmäßig weiterentwickelt. "Er ist endlich erwachsen geworden", sagt Louis Begley, "auch wenn er dazu durch Dantes Hölle musste."

Louis Begley liest heute Abend aus seinem Roman in der Buchhandlung Heymann, Eppendorfer Landstraße 77, 20.30 Uhr, Eintritt: 14 Euro

Louis Begley: "Schmidts Einsicht", Deutsch von Christa Krüger, Suhrkamp Verlag, 415 S., 22,90 Euro