Vor 80 Jahren wurde der Tampon patentiert. Die Kulturgeschichte eines Tabuthemas

Im Jahr 1986 stellte das amerikanische Magazin "Consumer Report" erstmals eine Liste mit "50 kleinen Wundern des Alltags" vor. Neben der Klimaanlage stand auch der Tampon auf selbiger. Dieses kleine Wunder gibt es seit genau 80 Jahren, 1931 reichte der amerikanische Arzt Earle Cleveland Haas das Patent auf den Tampon ein. Apotheker weigerten sich anfangs, Tampons zu verkaufen, Frauen fürchteten sich vor der Nutzung aus Angst um ihre Jungfräulichkeit. "Tampons galten als verrucht, eine Erfindung für leichte Mädchen", sagt die Historikerin und Künstlerin Andrea Borck. Vor Kurzem hat sie die Ausstellung "Leibhaftig - Doppelripp und Spitzentraum" im Altonaer Museum mitkonzipiert und am gleichnamigen Buch mitgeschrieben, ein Streifzug durch die Geschichte der Unterwäsche und Hygieneartikel.

Die Frauenhygiene ist kulturgeschichtlich gesehen eines der letzten Tabuthemen. Alexandre Dumas' "Kameliendame" trug zwar 1848 im gleichnamigen Roman während ihrer Periode einen Strauß roter statt weißer Blumen in die Oper, doch letztlich steht Charlotte Roche mit Ausführungen über Themen wie Menstruation allein auf weiter Flur. Den Grund für die Tabuisierung sieht Andrea Borck geschichtlich begründet: "Die Menstruation wird seit Jahrtausenden mit negativen Emotionen wie Scham und Ekel verbunden. Ihr haftet etwas Besonderes an, weil sie lange ein unerklärliches Phänomen war. Gesunde Frauen fingen plötzlich an zu bluten und hatten dabei keine Schmerzen. Besonders Männer - denen Frauen ja zu gehorchen hatten - waren damit überfordert."

Was man nicht erklären kann, ist nicht beeinflussbar, und was man nicht beeinflussen kann, ist grundsätzlich schlecht. In der jüdischen Kultur ist die Regel gleichbedeutend mit Unreinheit, gläubige Frauen müssen sich nach jeder Periode mit einem rituellen Bad reinigen. "Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat, die soll sieben Tage beiseite getan werden; wer sie anrührt, der wird unrein sein", so steht es im Alten Testament. Hielt sich ein Mann trotzdem nicht zurück, wurde er mit sieben Tagen Buße bei Brot und Wasser bestraft.

Die Amerikanerinnen nennen ihre Regel bis heute "curse", einen Fluch. Um diesen ranken sich allerlei Mythen: Der römische Philosoph Plinius schrieb, dass menstruierende Frauen keine Feldarbeit verrichten sollten, da gesätes Korn in ihrer Anwesenheit nicht sprießen und Wein sauer werden würde. Über die Jahrhunderte wurde der Irrglaube ständig erweitert, Sahne würde etwa beim Schlagen nicht steif, Fleisch verderbe beim Schlachten oder Hefe gehe nicht auf. Aus dem Mittelalter gibt es Überlieferungen, wonach giftige Tinkturen und Tränke mit Menstrualblut gebraut wurden.

1920 wollte der ungarische Mediziner Béla Schick sogar die Existenz eines Stoffes namens "Menotoxin" festgestellt haben, ein Gift, das menstruierende Frauen über die Haut absonderten. Als Grundlage dieser "wissenschaftlichen" Beobachtung diente ein persönliches Erlebnis: Er hatte seine Haushälterin beobachtet, wie sie Blumen in einer Vase arrangierte, die bei der Berührung durch die Frau ihre Köpfe hängen ließen. Bei eingehender Befragung stellte sich heraus, dass die Dame gerade ihre Tage hatte. Besonders absurd: Es mussten 38 Jahre vergehen, bis Ende der 50er-Jahre die Existenz von Menotoxin widerlegt wurde.

Unrein, schädlich, sogar giftig - es war für frühere Frauengenerationen nicht gerade einfach, ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln. Dass Frauenhygiene noch heute ein Tabuthema ist, ist laut Borck auch ein hausgemachtes Problem: "Die Periode soll möglichst unsichtbar verlaufen. Binden und Tampons sind parfümiert und diskret verpackt, Flecken auf der Kleidung peinlich." Ein Zeichen dafür, dass der selbstverständliche Umgang mit der Regel noch längst nicht die Regel ist. Ein gutes Beispiel, wie man die weibliche Hygiene enttabuisieren kann, kommt erstaunlicherweise von einem Mann, der zu seiner Geliebten sagte: "Ich wäre gern dein Tampon." Es war Prinz Charles.

Die Ausstellung "Leibhaftig - Doppelripp und Spitzentraum" läuft bis 21.10.2012 im Altonaer Museum (S Altona), www.altonaermuseum.de