Was schreien die denn so? Dem ARD-Drama über vertauschte Babys fehlt leider die Tiefe

Hamburg. Wie furchtbar muss es für ein Paar sein, zu erfahren, dass ihr Kind nicht das leibliche ist, sondern bei der Geburt vertauscht wurde? Dieser Frage geht die ARD in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal nach. Im Februar zeigte der Sender den Film "Das geteilte Glück", in dem für zwei Familien die Welt zusammenbricht, als sich ihre neunjährigen Söhne als vertauschte Kinder entpuppen. Im zweiten Anlauf heißt das Drama "Im falschen Leben", die Kinder sind diesmal elf Monate alt und Mädchen. Im Kern ist die Geschichte allerdings dieselbe. Schmerz, Wut und Angst sind die großen Emotionen, die Regisseurin Christiane Balthasar in 90 Minuten quetschen muss.

Das Ehepaar Siebrecht aus Leipzig ist reich und schön, und die kleine Nora komplettiert die Bilderbuchfamilie. Umso tiefer sitzt der Schock, als ein Schreiben sie auf das Jugendamt bestellt. Das Paar erfährt, dass seine Tochter zu einem Kreis von Babys gehört, die möglicherweise bei der Geburt vertauscht wurden. Aus dem Verdacht wird Gewissheit. Die Siebrechts müssen nun damit leben, dass ihre eigentliche Tochter Maya heißt und bisher bei der BWL-Studentin Sandra Köpke aufgewachsen ist. Die ist alleinerziehend und weitgehend mittellos. Das Jugendamt stellt beiden Familien eine beratende Psychologin zur Seite. Schließlich entscheiden sich die beiden Mütter, die Kinder zu tauschen. Doch beide Parteien sind mit der Situation überfordert. Kaum haben sie sich einander genähert, treiben sie wegen ihrer unterschiedlichen Lebensführungen wieder auseinander.

Der Gedanke, dass Babys nach der Geburt vertauscht werden, ist beängstigend. Und deshalb geht einem das Wechselbad der Gefühle der beiden Mütter in "Im falschen Leben" durchaus nah. Schade ist, dass sich Drehbuchautorin Regine Bielefeldt nicht stärker auf die beiden Hauptfiguren, gespielt von Sonsee Neu und Anna Maria Mühe, konzentriert - und den Film stattdessen mit überflüssigen Nebenhandlungen zukleistert. Was bringt es der Handlung, wenn sich die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes und der Chefarzt der Klinik, in der die Babys wegen Überforderung und Unterbesetzung vertauscht wurden, anschreien? Was tut es zur Sache, dass Marie Siebrecht schon einmal ein Kind abgetrieben und dieses Ereignis nie verwunden hat? Das sind separate Themen, die nach eigenem Platz schreien und nicht als oberflächliches Beiwerk dienen sollten. Dementsprechend fehlt den beiden Hauptfiguren die Tiefe: Wie die beiden Frauen eigentlich ticken, weiß man auch nach 90 Minuten nicht. Das Drama "Im falschen Leben" behandelt ein sensibles Thema - nur leider werden die Hauptfiguren nicht sensibel genug behandelt.

Im falschen Leben: heute 20.15, ARD