Annette Wehrmann meißelte Spielbälle aus Backsteinen. Die Galerie Dorothea Schlüter zeigt ab sofort das Werk der Hamburger Künstlerin.

Galerie Schlüter. Die Nachricht von Annette Wehrmanns frühem Tod im Mai 2010 hinterließ tiefe Trauer bei ihren zahlreichen Freunden. Die politisch hoch motivierte Künstlerin hatte es stets verstanden zu intervenieren, mit künstlerischen wie literarischen Aktionen sich Gehör und Gesicht zu verschaffen. Sie zählt allerdings auch zu jenen Künstlerinnen, die in Hamburg mehr einem Insiderkreis als Außenstehenden ein Begriff war. Mit einer Ausstellung erinnert die Galerie Dorothea Schlüter jetzt an die Künstlerin.

Ein den Räumen angemessenes Ausstellungskonzept zeigt dort ihre Arbeit "Absolut der richtige Sport für mich!". Sechs Kugeln verteilen sich auf dem Boden, ruhen in massiver Schwere, als könnte sie weder Sturm noch Drang bewegen. Ihr Material verrät, dass es sich Annette Wehrmann selten leicht gemacht hat. Aus selbst gemauerten Wänden, mit unterschiedlichen Backsteinen und eigenwilligen Schichtungen meißelte sie sich diese Bälle, die sie selbst einmal mit Stahlkappen an den Schuhen in Bewegung setzte. Die Künstlerin erprobte sich als weiblicher Atlas, die das Gewicht der Welt auf sich nimmt. Nicht um es zu tragen oder zu ertragen, vielmehr um das Behäbige, das Erstarrte ins Rollen zu bringen. Oder um sich selbst in Bewegung zu setzen. Die Kugeln, sie sind ihr Gegenüber, ihre Fesseln, ihr Sisyphos-Stein, ihr Spielball und Alter Ego in einem. Eine nur scheinbar runde Metapher und runde Sache. Denn das Runde ist hier alles andere als ein Selbstläufer. Davon zeugen Zeichnungen an den Wänden, in denen sich Annette Wehrmann ihres "Sportsgeräts" annahm, von der Schwere als Erdkugel bis hin zur rot leuchtenden Steinkugel, die sich wie im Comic ein "Ich lebe wieder" denkt.

In den 90er-Jahren machte Annette Wehrmann durch Sprengungen auf sich aufmerksam. Sprengungen in Blumenrabatten, die den schönen floralen Schein mal eben in Schall und Rauch verwandelten. In zwei Hälften sprengte sie später auch eine der Steinkugeln. Eine posthume Edition von ausgesuchten Bildern dieser Sprengungen liegt jetzt in der Galerie vor. Außerdem zeugen diese Videos von weiteren Aktionen. Unter anderem gibt es das Projekt Fakirtüte, eine Tauschaktion, anlässlich derer die Künstlerin ihrem Publikum reinstes Wasser in Tüten einschenkte. Ihre pure Geste jedoch war gespickt voller Tücken, im Besonderen mit Nadeln, die sie in die Tüten pikste. Um zu verhindern, dass das Wasser auslief, musste man die Tüten tragen.

Von weiteren Aktionen erfährt der Besucher am 17. November (20 Uhr) anlässlich einer CD-Release. Sie stellt Annette Wehrmanns poetische Luftschlangentexte vor. Unzählige Zeichnungen, Arbeiten sowie Relikte ihrer Aktionen warten noch immer auf ihre sachgemäße Katalogisierung. Der Verein Ort des Gegen e.V., der sich dem künstlerischen Nachlass von Annette Wehrmann widmet, sucht deshalb nach Interessierten für diese Arbeit, für die auch Gelder beantragt werden können.

Annette Wehrmann "Absolut der richtige Sport für mich!" bis 27.11., Galerie Dorothea Schlüter (S Reeperbahn, U St. Pauli), Nobistor 36, T. 31 97 37 63, Öffnungszeiten: Mi-Sa 14.00-18.00 und nach Vereinbarung; Internet: http://dorotheaschlueter.com