Tosender Applaus nach knapp fünf Stunden: Das Theaterfestival auf Kampnagel endete erfolgreich mit “Krieg und Frieden“.

Hamburg. Tosender Applaus am Ende der knapp fünfstündigen Aufführung von "Krieg und Frieden", mit der am Wochenende auf Kampnagel das 3. Hamburger Theaterfestival zu Ende ging. Die 15 Schauspieler vom Wiener Burgtheater, die sich durch die 1400 Seiten des größten Romans der Weltliteratur spielten, nahmen glücklich und überrascht die Begeisterung der 800 Zuschauer entgegen. So viel lautstarken Jubel erfährt man in Wien nicht.

Zutreffen würde die Anerkennung auch für alle anderen Gastspiele des Festivals, die in den vergangenen Wochen gefeiert wurden. Angefangen mit Karin Beiers berauschender Inszenierung "Das Werk" aus Köln, über Vorstellungen aus Zürich, München, Mannheim und Wien - jeder Abend war ausverkauft, jeder Abend präsentierte tolle schauspielerische Leistungen. Die Bilanz des Hamburger Theaterfestivals, das ohne öffentliche Subventionen auskommt, aber Infrastrukturen und Personal unserer Theater nutzt, ist inhaltlich wie finanziell positiv. Hamburg darf sich glücklich schätzen, neben den hiesigen Theatern und ihrem abwechslungsreichen Angebot durch dieses Festival einen Einblick in das Bühnenleben anderer Städte zu bekommen.

Auch die "Krieg und Frieden"-Inszenierung von Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann überzeugte durch großartige Schauspieler, viel Spielfreude, hübsche Ideen und eine eingängige, nie langweilige Verdichtung des Romans auf die Schwerpunkte Schlachtengetümmel und Liebeswirren.

Man befinde sich immer noch im Probenprozess, verkündete Hartmann zu Beginn. So startete der Abend mit großer Lockerheit zwischen 14 Tischen, Stühlen, einem Flügel, einem Turntable, dem Modell des Bühnenbildes, Kerzenleuchtern, ein paar Videokameras und einer Leinwand, auf der die aktuell gespielte Seitenzahl zu lesen steht.

Da träumen die Offiziere, wenn sie nicht gerade saufen, wetten oder Frauen verführen, vom Ruhm auf dem Schlachtfeld gegen Napoleon, während die einfachen Soldaten in Scharen sterben. Hier fällt ein Heer von Spielzeugsoldaten, die im aufgeklappten Flügel stehen. Die Videokamera überträgt das auf die Leinwand. Als quälende Geräuschkulisse werden Bretter auf den Bühnenboden geschmissen. Stefanie Dvorak ist eine hinreißende Verführerin Helene, die den guten Pierre heiratet, der doch eigentlich Natascha (Yohanna Schwertfeger) liebt. Doch die verfällt dem Draufgänger Anatol (Oliver Masucci), Helenes Bruder, während sie Andrej (Peter Knaack) treu zu bleiben versucht. Der wiederum hat einen grausamen Vater (Ignaz Kirchner). Und so geht es immerfort. Man weiß ja, dass man für das Personal eines russischen Romans ein langes Verzeichnis braucht.

Hartmann und sein Ensemble haben es verstanden, das Ganze abwechslungsreich und süffig zu erzählen. Man kommentiert seine Rolle. Udo Samel etwa, ein kleiner, eher älterer Mann, beschreibt sich als Pierre als "jung und groß". Wenn die Gesellschaft ins Theater geht, sitzen schon mal die Alten aus der "Muppet Show" in der Loge, man fotografiert sich ständig und Fabian Krüger, der sonst den Offizier Dolochow spielt, tanzt hinreißend das Ballett, das die anderen auf der Bühne besuchen.

Am Ende hat man gut 1000 Seiten des Stoffes bewältigt. Jeder Schauspieler erzählt, wie es mit seiner Figur zu Ende geht. Ein schöner Abend, auch wenn er Tolstois Roman nicht toppen kann. Aber das kann niemand.