Zum Staunen und ein bisschen zum Fürchten: Die Premiere von “Alice im Wunderland“ im Malersaal begeistert mit einer Fülle fantasievoller Ideen.

Hamburg. Was um alles in der Welt ist eine Ochsenschwanzschildkröte? In Brehms Tierleben ist sie nicht zu finden. Es muss ein buckliges Vieh auf zwei Beinen sein. Mit langem Schwanz und einer Quaste dran. Aus dem macht man wohl falsche Schildkrötensuppe, die eigentlich eine Ochsenschwanzsuppe ist. Brave Kinder sollen sie essen, damit sie groß und stark werden, auch wenn sie nicht wissen können, woraus dieses Süppchen gekocht ist. Aus dem Grübeln, was eine Ochsenschwanzschildkröte denn nun sein könnte, wird eine Vorstellung, die Gestalt annimmt und mit einem weißen Kaninchen eine lustige "Hummer-Quadrille" tanzt.

So etwas kann doch nur "Alice im Wunderland" passieren. Das reizende kleine Mädchen (Angelina Häntsch) gebiert beim Nachmittagsschlaf Fantasie-Ungeheuer, bringt turbulentes Leben in den Malersaal und hält die fünf ebenso fabelhaften Schauspielerkollegen auf Trab bei deren witzigen Verwandlungen. Barbara Bürk hat für das Junge Schauspielhaus die bekannte Geschichte von Lewis Carroll bearbeitet, sie einfallsreich neu entdeckt und zu Clemens Sienknechts musikalischer Begleitung in ein hinreißendes Theater-Abenteuer verwandelt. Es bietet viel zum Staunen, noch mehr zum Lachen und nur ein bisschen zum Fürchten.

Wie kreativ Langeweile doch sein kann. Dabei kannte Alice weder Comics noch Fantasy-Filme, nur Bücher mit Bildern drin. In ihren Wachträumen entwickeln die Dinge ein Eigenleben, das sich mit Beobachtungen aus dem kindlichen Alltag überlagert. Genau aus dieser Perspektive inszeniert Bürk Alices Traumreise. Ohne Video-Effekte, doch mit einer Fülle komödiantischer Theatermittel in der zauberhaften Ausstattung von Anke Grot.

Im Wohnzimmer spielt plötzlich alles verrückt: Eine dicke Raupe (Jonathan Müller) kollert auf den Teppich und parodiert den Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki; Hermann Book singt einem Ferkelbaby ein Schlaflied; die Kartenspiel-Königin (Christine Ochsenhofer) schreit ihr "Kopf ab!", und als Ochsenschwanzschildkröte entpuppt sich der tanzende Florens Schmidt.

Ist alles nur Einbildung, heißt es einmal. Doch das Unglaubliche zu glauben, ist Übungssache und bereitet zudem einen ungeheuren Spaß.

"Alice im Wunderland" (ab 8 Jahre) bis 16.11., 3.-6.12. Malersaal, Karten unter T. 24 87 13