Der deutsch-irische Schauspieler hat 2011 viele große Rollen gespielt. Zurzeit ist er in Cronenbergs “Eine dunkle Begierde“ zu sehen

Berlin. Was haben die Mutanten aus "X-Men" mit Charlotte Brontës Romanklassiker "Jane Eyre" und dem Psychoanalytiker C. G. Jung gemeinsam? Bis vor einem Jahr kaum etwas, aber jetzt einen Namen. Filme über diese Themen sind 2011 im Kino zu sehen (gewesen), und in jedem von ihnen spielt Michael Fassbender mit. Der deutsch-irische Schauspieler hat eine unglaubliche Serie mit großen und wichtigen Rollen erwischt und ist ganz oben angekommen. Zurzeit ist er in David Cronenbergs "Eine dunkle Begierde" als Jung zu sehen und spielt darin neben Keira Knightley und Viggo Mortensen.

Zur Deutschland-Premiere des Films war Fassbender mit seinem Regisseur nach Berlin gekommen. An dem Phänomen, dass Schauspieler in der Realität oft unscheinbarer wirken als auf der Leinwand, auf der er eine starke Präsenz entwickelt, kommt auch der 34-Jährige nicht vorbei. Er gibt sich lässig im beigefarbenen Hemd mit schwarzer Lederjacke und Jeans.

In " Eine dunkle Begierde" liefert sich Fassbender als Jung ein Ideen- und Rededuell mit Sigmund Freud, den Mortensen spielt. Freud will dem jungen Psychoanalytiker seine Träume aus Angst vor Autoritätsverlust nicht verraten. Jung stört, dass sein Wiener Kollege alle Probleme auf Fragen der Sexualität reduziert und kontert mit eigenen Vorschlägen. Fassbender mag diese Szenen. "Da ist Freud kleinlich und zänkisch. Beide Männer hatten große Egos. Wer aus ihrem Kreis ihre Philosophie infrage stellte, wurde schnell aussortiert. Diese Schwächen zeigen die großen Männer menschlich. Das ist ganz gut für alle, die sonst zu viel Respekt vor ihnen hätten."

Zwischen den eitlen Psycho-Gockeln steht Knightley als Sabina Spielrein zuerst als hysterische Patientin, die nach ihrer Heilung für beide zu einer lustbetonten Kollegin wird. In einer Szene wird es besonders körpernah: Jung versohlt Spielrein den Hintern. "So etwas ist immer sehr heikel", sagt Fassbender. "Ich habe Keira vorher nur zwei Wochen gekannt. Man muss sicherstellen, dass sich der andere nicht unwohl fühlt, dass man seine Rolle nicht missbraucht und versehentlich tatsächlich zuschlägt. Der Rest ist Professionalität. Man möchte es so schnell wie möglich hinter sich bringen."

Michael Fassbender ist ohnehin ein sehr physischer Schauspieler. Er hat eine einprägsame sonore, leicht nasale Stimme und spielt körperbetont. Dazu muss er gar nicht unbedingt, wie in der Rolle als Sexsüchtiger New Yorker in "Shame", nackt vor der Kamera agieren. Für seinen Part als ein die Nahrungsaufnahme verweigernder IRA-Aktivist in "Hunger" nahm er fast 20 Kilo ab, für "300" trainierte er sich zusätzliche Muskelmasse im Fitnessstudio an. Fassbender bereitet sich akribisch auf die Rollen vor. "Ich überlege mir, wie sich ein Charakter bewegt. Was isst er zum Frühstück? Bewegt er sich leichtfüßig oder schwerfällig? Das ist vielleicht am Theater orientiert. Man erarbeitet sich einen Charakter so von den Füßen an aufwärts."

Er kann charmant und schlagfertig sein. Eine Kollegin, die sagt, sie habe ihn schon lange auf dem Radar, umschmeichelt er mit: "Das war mein Ziel."

Erklärtes Ziel seiner Rolle als Schwerenöter Rochester in "Jane Eyre" - der Film kommt am 1. Dezember ins Kino - war es, seiner Mutter und Schwester zu gefallen. Aber nicht nur sie beeindruckte er. Nach der Deutschland-Premiere beim Filmfest Hamburg lobte eine Zuschauerin: "Endlich mal ein toller Hauptdarsteller, der auch noch gut aussieht.

Viel Kritik musste Fassbender ohnehin nicht einstecken. Stattdessen hat er in den vergangenen Monaten direkt nacheinander mit so hochkarätigen Regisseuren wie Quentin Tarantino, Steven Soderbergh, Ridley Scott, Steve McQueen und Cary Fukunaga gedreht. Eine so prominent besetzte Galerie bekommen andere Kollegen nicht einmal in einer langen Laufbahn zusammen. Gerät er bei dem Fließbandbetrieb nicht manchmal durcheinander? Er schüttelt den Kopf. "Ich kann tief eintauchen, aber hinterher eine Geschichte auch schnell wieder loswerden."

Manche handeln Fassbender schon für einen Oscar. Er wäre geschmeichelt, gibt er zu. "Aber ich versuche nicht so viel darüber nachzudenken. Man kann ja ohnehin nichts tun. Meine Arbeit ist dann schon Monate her. Und ich sitze zu Hause, fühle mich wie Gollum aus dem 'Herrn der Ringe' und denke gierig 'Mein Schatz'."

Fassbenders Mutter stammt aus Irland, dort ist er auch aufgewachsen. Geboren wurde er in Heidelberg. Sein Vater ist Deutscher. Deutsch sprechen möchte er aber nicht: "Dann würden wir noch lange hier sitzen." Das Angebot, im ZDF-Zweiteiler "Dresden" mitzuspielen, hatte er aus Termingründen abgesagt, sagt er. Aber immerhin hat er sich bei "X-Men" selbst synchronisiert.

Seinen frisch angehäuften Ruhm möchte Fassbender nutzen, um eigene Projekte zu realisieren. Er hat in London die Produktionsfirma DMC gegründet, die bereits vier Projekte in Arbeit hat. Mal sehen, ob der Name Fassbender schon etwas möglich macht.

Zurzeit hat der Schauspieler ein Luxusproblem: Er bekommt mehr Angebote, als er annehmen kann. Er ist sich bewusst, dass es sich dabei um eine einzigartige Situation handeln könnte, gibt sich aber locker. "Wir sind von Ideen um Erfolg und Misserfolg gerade ein wenig besessen. Ich versuche außerhalb der Kuschelecke zu arbeiten und meine Grenzen dabei zu erweitern. Also werde ich früher oder später auch mal Fehler machen. Wenn ich dabei auf die Schnauze falle - so ist das Leben."

"Eine dunkle Begierde" läuft im Koralle, Passage, UCI Mundsburg, Zeise