Der Bestsellerautor Jeffrey Eugenides stellt eine Dreiecksgeschichte in den Mittelpunkt seines neuen Romans “Die Liebeshandlung“.

Hamburg. Was früher John Updike und Philip Roth für die US-Literatur waren - kluge, stilsichere und unterhaltsame Bestsellergaranten -, das sind heute Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides. Franzen hat 2001 mit "Die Korrekturen" den großen amerikanischen Familienroman geschrieben. Eugenides legte 2002 seine Drei-Generationen-Geschichte "Middlesex" nach, für die er den Pulitzer-Preis erhielt.

Jetzt haben beide Autoren innerhalb eines Jahres ein groß angelegtes Prosawerk geschrieben, in dessen Mittelpunkt eine Frau zwischen zwei Männern steht. Franzen brachte 2010 "Freiheit" heraus und kam als wichtigster zeitgenössischer US-Autor auf den "Time"-Titel. Von Eugenides erschien nun "Die Liebeshandlung" und schnellte in der ersten Verkaufswoche auf Platz zwei der US-Bestsellerliste. Ganz nebenbei verbindet beide Schriftsteller die Tatsache, dass sie einige Jahre in Deutschland gelebt haben.


***Hamburger Bestseller***

Liebesgeschichten mit einer Frau zwischen zwei Männern gelten seit mehr als 100 Jahren als Königsdisziplin für Schriftsteller, zumal wenn sie realistisch erzählt sind. Man denke nur an Flauberts "Madame Bovary", Tolstois "Anna Karenina" oder Fontanes "Effi Briest". Inzwischen haben wir Dutzende von Stilen und Stilbrüchen bei Erzählern mitgemacht, doch romantische und kunstvoll erzählte Liebeshandlungen werden immer noch gern gelesen.

Eugenides orientiert sich zwar thematisch an den Klassikern von Jane Austen oder Henry James, wollte aber "die Konventionen und Formen dieser Liebesgeschichten komplett zerstören". Seine Heldin Madeleine, eine etwas naive Studentin aus einem Professorenhaushalt, schreibt eine literaturwissenschaftliche Arbeit über "Die Liebeshandlung im viktorianischen Roman". Genau das, ihre Identifikation mit ihren Romanhelden, lässt sie im Alltag, an ihrem eigenen vertrackten Liebesleben zweifeln und scheitern.

Madeleine fühlt sich zu Leonard hingezogen, einem attraktiven, aber manisch-depressiven Biologie-Studenten. Seine Ideen begeistern sie ebenso sehr wie der Sex mit ihm. Mitchell, ebenfalls Student, aber vergrübelt, der in Madeleine das Ideal einer Frau sieht, interessiert sie nur als Freund. Anfangs. Dann macht er sich auf nach Europa und Indien, sucht die Erleuchtung.

"Ich wollte aus drei Blickwinkeln erzählen", sagt Eugenides. "Leonard, Mitchell und Madeleine unterscheiden sich stark durch Herkunft, Sozialverhalten und Erwartungen. Und natürlich fragen sie sich, was das Leben für sie bereithält und warum sie auf der Welt sind. Was passiert mit diesen Menschen, wenn sie sich verlieben? Suchen sie die Liebe, den gesellschaftlichen Aufstieg, Erfüllung, Abwechslung? Mich interessiert ihr Verhalten."

Fragt man Eugenides, ob das die altbekannte Trennung von Körper und Geist sei, die er in Leonard und Mitchell darstellt, verneint er. "Madeleine fühlt sich ebenso zu Leonards Ideen hingezogen. Und zu seiner zerstörerischen Kraft. Als er krank wird, depressiv, bekommt sie Schuldgefühle, als sie ihn verlassen will. Mitchell ist vielleicht der Unkompliziertere von beiden. Aber nicht immer will man das Unkomplizierte. Ich habe allerdings einige Briefe von Frauen bekommen, in denen sie mir schreiben, sie würden lieber Mitchell heiraten. Aber ich kenne viele Frauen, die sich für einen wie Leonard entscheiden, jemanden, der kompliziert ist und schwer zu halten. Glauben Sie mir, ich habe mit vielen Frauen gesprochen, bevor ich dieses Buch geschrieben habe. Und viele hatten einen Mann wie Leonard. Auch wenn Leonard unglücklich über sein eigenes Verhalten ist. Mitchell dagegen ist unsicher. Das mögen Frauen auch nicht."

Kein Mister Perfect also in diesem Roman? "Nein", entgegnet Eugenides, "das hätte mich nicht interessiert, eine so konventionelle Geschichte zu schreiben." Eugenides beschäftigt sich aber nicht nur mit der Liebe und der Sinnsuche, sondern auch mit Fragen zu Sprache, Ausdruck und Erzählkunst.

Seine ursprüngliche Idee sei gewesen, "einen Roman über eine Studentin zu schreiben, die Semiotik studiert und sich von ihren romantischen Illusionen befreien möchte. Zur gleichen Zeit aber verliebt sie sich. Da fangen die Probleme an." Und natürlich zitiert er Anthony Trollopes Spruch: "Es gibt keine Happy Ends, außer in einem englischen Roman." Ist "Die Liebeshandlung" ein Entwicklungsroman wie die Geschichte über den Hermaphroditen Cal in "Middlesex" oder die Romanheldinnen "Selbstmordschwestern", aus denen Sofia Coppola einen Film machte? "Nein. Wenn ich schreibe, denke ich nicht in solchen Kategorien, auch wenn mir auffällt, das ich oft über junge Menschen schreibe, die in einer Krise stecken."

Der Roman spielt in den 80ern an der Brown University. Eugenides studierte damals selbst dort. Nur so, glaubt er, könne er detailgetreu schreiben, könne die richtige Sprache, Musik und die Themen treffen, mit denen man sich beschäftigte. Madeleines Thema gilt wohl damals wie heute als verstaubt. Das College hat sich der neuen französischen Theorie verschrieben. Es geht um Poststrukturalismus, um Lacan, Barthes und Derrida. Madeleine lässt sich zwar von Barthes' "Fragmenten einer Sprache der Liebe" betören, doch als sie Leonard das erste Mal "Ich liebe dich" sagt, zitiert er dessen Satz, dass Liebe nur eine Idee sei. Madeleine ist verstört. Und irgendwie läuft alles aus dem Ruder. Ganz wie im richtigen Leben?

Jeffrey Eugenides: "Die Liebeshandlung" Deutsch von Uli Aumüller und Grete Osterwald, Rowohlt, 624 Seiten, 24,95 Euro