Wie kann ich andere überzeugen? Das Tübinger Seminar für Allgemeine Rhetorik ist europaweit das einzige wissenschaftliche Institut, an dem man alle Studienabschlüsse im Fach Rhetorik absolvieren kann. Im Abendblatt-Interview spricht der Direktor und Rhetorik-Professor Joachim Knape über seine Arbeit - und darüber, was von antiken Rhetorikern geblieben ist.

Hamburger Abendblatt: Warum boomt das Geschäft mit der Rhetorik?

Joachim Knape: Vor 50 Jahren war das gesamte öffentliche Bewusstsein noch sehr stark auf die Schriftlichkeit bezogen. Mittlerweile ist durch das Fernsehen das Mündliche immer wichtiger geworden. Das Schriftdeutsch ist nicht mehr gefragt, es gibt ein neues Bewusstsein für das Reagieren im direkten Sprachkontakt. Viele Firmen haben in ihren Etats Weiterbildungsmaßnahmen eingerichtet. Sie haben erkannt, dass Rhetorik nicht nur fürs Image entscheidend ist. Rhetorik ist auch eine Produktivkraft.

Was tun Sie und Ihre Mitarbeiter?

Wir erforschen zum Beispiel die zweieinhalbtausendjährige Geschichte der Rhetorik und arbeiten in aktuellen Projekten. In einem Projekt widmen sich Studenten und Dozenten der Fernseh-Rhetorik. Sie untersuchen, wie man über das Fernsehen erfolgreich kommuniziert und Menschen überzeugen kann. Darüber hinaus entwickeln wir Präsentationstechniken für Schüler, schreiben Lehrbücher. Wir beobachten auch die Politiker im Bundestag und analysieren ihre Reden.

Gibt es aktuelle Trends der Rhetorik?

Die visuelle Welt ist wichtig. Unsere Frage ist: Wie können Bilder von irgendetwas überzeugen? Dieser Forschungszweig ist auch für die Werbewirtschaft interessant.

Was ist von den Griechen geblieben?

Aristoteles hat die erste bedeutende Rhetorik-Theorie geschrieben. Wir greifen darauf zurück. Ihm zufolge hat eine gute Rede nur zwei Teile. Erstens muss man wissen, was man beweisen will, zweitens muss man Beweise haben. Diese knackige Formel wird häufig nicht berücksichtigt. Die Kommunikation leidet, wenn man nicht über klare Ziele und Belege nachdenkt. Aristoteles hat auch Einleitung und Schluss hervorgehoben, weil an diesen Stellen die Brücken zum Publikum geschlagen werden. Das gilt bis heute.

Wie erkennt man einen seriösen Anbieter von Seminaren?

Je spezieller ein Angebot ist, desto seriöser könnte es sein. Wenn ich sehe "Zwei Tage, Rhetorik für Anfänger", bin ich skeptisch.