Selbst im Western hat der männliche Held ausgedient

Sie reden nicht viel. Aber sie schießen schnell. Und treffen immer. Sie sind Kunstschützen und Vielseitigkeitsreiter. Sie sind hart wie Stahl und knorrig wie eine Eiche. Sie verkörpern jedes Klischee von Männlichkeit und Heldentum, die Heroen des Wilden Westens. Frauen kommen in diesen Geschichten über die Landnahme von Oregon oder den Goldrausch von Kalifornien, über die Indianerkämpfe am Little Big Horn und die Viehtrecks von Texas nach Missouri nicht oder nur am Rande vor und dann auch nur als Klischee: Sie sind entweder Tänzerinnen in den Saloons zwischen Laramie und Santa Fé, adrette Ehefrauen von Kavallerie-Offizieren oder Lehrerinnen aus dem Osten, bibelfest und humanistisch gebildet. Toughe Frauen wie Jean Arthur in "Calamity Jane", Barbara Stanwyck in "40 Gewehre" oder Joan Crawford in "Johnny Guitar" sind die Ausnahme. Der Western ist Männerdomäne.

Die Regisseurin Kelly Reichardt dreht in dem Neo-Western "Meek's Cutoff" den Spieß um. Mit ihren Männern und einem Führer machen sich drei Frauen im Jahr 1845 per Planwagen auf den beschwerlichen Weg nach Oregon. In jeder Extremsituation behalten sie klaren Kopf. Sie lassen Herz und Kopf gleichermaßen sprechen, sie sind ebenso ausdauernd wie ihre Männer. Diese Frauen sind das Gegenteil des sogenannten schwachen Geschlechts.

Im gegenwärtigen Alltag ist das natürlich schon lange so. Auch wenn Männer das manchmal nicht wahrhaben wollen und sich darüber freuen, wenn wenigstens im Kino ganze Kerle gezeigt werden. Aber die Zeiten, in denen der einsame Held nach gewonnenem Duell am Ende in den Sonnenuntergang reitet und er das schönste Mädchen der Stadt noch als Extrapreis bekommen hat, sind längst vorbei und Teil eines verblassten Mythos. Frauen sorgen mit ihrem Familiensinn und ihrer sozialen Kompetenz, mit ihrer Beharrlichkeit und Ausdauer dafür, dass es mit unserer Gesellschaft vorangeht. Sie sind zum Beispiel unbestechlicher als Männer. Oder hat man schon mal davon gehört, dass weibliche Führungskräfte zu Sexreisen nach Ungarn oder Brasilien eingeladen worden sind?

Die Männerbastionen in der Arbeitswelt mit ihren Zirkeln in den Führungsetagen stehen genauso unter Beschuss wie ein von einem Sioux-Stamm umzingeltes Kavallerie-Fort. Frauenquote heißt der aktuelle Tomahawk und so mancher Firmenchef täte gut daran, eine Friedenspfeife mit seinen leistungsstarken Abteilungsleiterinnen zu rauchen, ohne den Versuch, sie anschließend in ein Reservat namens Entwicklungsabteilung abzuschieben. Frauen lassen sich nicht mehr so einfach an den Rand drängen und in die Rolle des Heimchens am Herd bugsieren.

Erstaunlicherweise gibt es immer noch Bereiche, in denen Frauen nichts bis wenig zu sagen haben. In der Popmusik zum Beispiel. Da gibt es starke Frauen und "role models" wie Madonna und jede Menge selbstbewusster Künstlerinnen, aber die Branche wird von Männern dominiert. Noch. Aber vielleicht haben Frauen auch wenig Ambitionen, Karriere im Popbusiness zu machen, weil die Aussicht, mit irgendwelchen Metal-Künstlern auf Preisverleihungen abzuhängen, nicht zu verlockend ist.

Der Oregon Trail ist längst Vergangenheit. Aber diese einfachen Farmersfrauen aus "Meek's Cutoff" zeigen mit ihrer Solidarität und ihrer Freundschaft untereinander, wie man ein ausgewogenes Miteinander aller erreichen kann. Dadurch werden sie zu einem Vorbild für heutige Generationen. Frauen müssen in unserer Gesellschaft nicht mehr beschützt werden, das übernehmen sie allein. Der männliche Held hat ausgedient.