Wenn Achim Reichel seinen musikalischen Lebensweg erzählt, wird es lang. Aber nie langweilig

Hamburg. Achim Reichel? Das Gedächtnis warf sofort "Aloha Heja He" aus, ratterte etwas, schob "Kuddel Daddel Du" nach. Danach herrschte Schweigen. Bis schließlich der Bandname The Rattles durch die Hirnwindungen wehte. Und eine kleine Kaskade von Wissensbröseln auslöste: Star-Club, Beatles, "Bravo"-Blitztournee. Im Gefolge die Hoffnung, dass das Konzert am Dienstag vielleicht doch interessant werden könnte.

Das Kramen in den Ecken des Kritikergedächtnisses hat sich gelohnt: Denn Reichel hat tatsächlich eine Menge zu erzählen, warnt seine Fans gleich zu Anfang vor: "Stellt euch mal auf etwa drei Stunden ein." Und tatsächlich unterhält er das Publikum in den ausverkauften Fliegenden Bauten mehr als 180 Minuten lang mit Döntjes aus einem Leben, in dem der Traum von der Seefahrt schnell vom Traum einer Musikerkarriere abgelöst wurde. Einem Leben, in dem aus einer "Tonbandclique", die sich einmal wöchentlich in einem Partykeller traf, um knisternde Radiomitschnitte zu hören, eine Band wurde, die im Star-Club auftrat und mit den Beatles auf Tournee ging.

Das allein wäre schon mehr, als viele andere Musiker erlebt haben. Und doch fängt Reichels Geschichte dort erst an. Nach dem Wehrdienst versucht er sich mit Freunden als Pächter des Star-Clubs, scheitert, begibt sich mit der "Supergroup" Wonderland unter die Fittiche von Produzent James Last und hatte mit "Moscow" einen Hit.

Und so geht es immer weiter durch die Jahrzehnte. Reichel sitzt auf der Bühne und erzählt. Zwischendurch spielt er mal ein Lied oder zwei. Und auch die Texte von "Mama Stadt", vom "Hamborger Veermaster" und dem "Drunken Sailor" erzählt er eher, als dass er sie singt. Doch sein melodiöser Sprechgesang, den er zunächst allein mit der Gitarre untermalt - später bekommt er musikalische Verstärkung von Barry Sarluis und Pete Sage - stört nicht, er passt gut ins Bild dessen, was Reichel "auf Neudeutsch Storyteller-Konzert" nennt.

Nach anderthalb Stunden und einer Pause geht es weiter, jetzt gibt es weniger Geschichten und mehr Musik. Mit "Belsazar", dem "Röslein auf der Heiden" und "Sophie mein Henkersmädel" hakt er en passant seine Interpretationen von Heine, Goethe und Morgenstern ab. Dann folgen "Exxon Valdez", die "Regenballade" und das arg kitschige "Fliegende Pferde", bevor die beiden Songs kommen, ohne die er wohl nie wieder ein Konzert geben kann: "Kuddel Daddel Du" und "Aloha Heja He".

Die gehören eben auch zu seiner Karriere. Aber sie sind nur ein kleiner Teil von Achim Reichels langer, aber nie langweiliger Lebensgeschichte, die er immer wieder gern erzählt. Und die man sich auch tatsächlich gern anhört. Auch die beiden Zusatztermine in Hamburg sind bereits ausverkauft.