Solisten geben sich ständig preis. Wie geht ein 28-Jähriger damit um? Jakob Koranyi weiß es selbst nicht so genau

Laeiszhalle. Manche Menschen wirken, als bräuchten sie ein Schneckenhaus, um der Welt nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Jakob Koranyi ist so jemand, wie er da im Brahms-Foyer der Laeiszhalle auf einer der neobarocken Bänke sitzt: ein Jüngling von 28 Jahren, die Gestalt umschlossen vom passgenau geschnittenen Hemd, das kurze Haar und der Dreitagebart sorgfältig auf Länge gehalten, in den Augen eine gewisse Fluchtbereitschaft.

Jakob Koranyi ist ein junger Cellist am Anfang seiner Solokarriere, und es scheint so gut wie unvorstellbar, dass er auch in ein paar Jahren noch so zugewandt zuhören und so entwaffnend ehrlich antworten wird. Doch wer ihn einmal an seinem Instrument erlebt hat, der wünscht sich genau das: dass dieser eigenständige, hochsensible Musiker nie aufhören möge, sein ganzes Menschsein in eine Phrase zu legen. Ob sie nun aus Tönen oder aus Worten besteht.

Der Schwede mit dem ungarischen Namen - der Großvater floh nach dem Aufstand von 1956 aus dem Land - ist ein "Rising Star" (aufsteigender Stern). So nennt auch die European Concert Hall Organisation, sinnfällig ECHO abgekürzt, junge Künstler, die sie auf Tournee schickt. Am heutigen Mittwoch spielen Koranyi und sein Klavierpartner Simon Crawford-Phillips im Kleinen Saal der Laeiszhalle Werke von Brahms, Ligeti, Schostakowitsch und dem finnischen Dirigenten und Tausendsassa Esa-Pekka Salonen. Da kann Koranyi sein verblüffendes Spektrum vorführen: die Gedankentiefe, mit der er selbst ein Zirkusstückchen wie Tschaikowskys Rokokovariationen adelt, die subtile Klanggestaltung, die Virtuosität, die niemals Selbstzweck ist.

Sein Spiel hat Koranyi bereits einen Strauß an Ehrungen eingebracht. Er macht Kammermusik mit so renommierten Streicherkollegen wie Leonidas Kavakos, Renaud Capuçon oder Yuri Bashmet. Umso erstaunlicher, dass die deutsche Öffentlichkeit auf ihn bisher kaum aufmerksam geworden ist. Koranyi nimmt das gelassen: "Wer in den Medien vorkommen will, muss darum kämpfen. Das liegt mir nicht."

Dass dieser Kampf zu einer landläufigen Solokarriere gehört, weiß er. Aber wie seine aussehen wird, das muss sich erst weisen. Ob er das konstante Unterwegssein wirklich will, dieses Leben, das ihn, derzeit noch Aufbaustudent in Hannover, nicht nur durch Europa, sondern auch nach New York und in die Karibik führt und nur selten heim nach Stockholm?

Die Einsamkeit des Solisten nach dem Auftritt kennt Koranyi. "Aber wie ich mich nach einem Konzert fühle, das kommt hauptsächlich darauf an, wie es gelaufen ist." Und dann lacht er und fügt hinzu: "Wenn ich sehr nervös war, dann bin ich hinterher einfach nur froh, überlebt zu haben."

Jakob Koranyi, Violoncello, Simon Crawford-Phillips, Klavier Mi 9.11., 20.00, Kleine Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Eingang Gorch-Fock-Wall, Karten zu 8,- bis 23,-: T. 35 76 66 66; www.jakobkoranyi.com