Mit ihrem Debüt brach die niederländische Retro-Pop-Chanteuse Caro Emerald in ihrer Heimat alle Rekorde. Heute kommt sie erstmals nach Hamburg

CCH. Schon die Renaissance zeigte: Kultur ist ein Zyklus der Wiedergeburten. Künste werden geschaffen, vergessen und neu belebt; was Vergangenheit war, weist den Weg in die Zukunft. Und da uns im Pop (in der Mode, im Automobilbau ...) schon seit Langem nichts Neues mehr einfällt, gibt es kein noch so verstaubtes, gestriges Genre, was nicht aufgefrischt wird. Und das immer und immer wieder. Pop-Beau Sasha verwandelt sich am kommenden Freitag im ausverkauften Docks erneut in sein Alter Ego Dick Brave, um wie auch die Berliner Baseballs den Rock 'n' Roll der 50er-Jahre nachzuahmen. Burlesque-Bars und 20er-Jahre-Swingpartys schießen aus dem Boden, Englands Soul-Queen Adele sammelt bergeweise Edelmetall - und Xavier Naidoo formiert sich mit Rea Garvey und (der nun wieder!) Sasha zum Rat Pack.

Auch die Niederlande wurden im Februar 2010 von einer wahren Retromanie erfasst: Caro Emerald brach damals mit ihrem Debütalbum "Deleted Scenes From The Cutting Room Floor" alle bisherigen Rekorde in ihrer Heimat und hielt sich knapp 30 Wochen auf dem Charts-Thron. Dabei zelebriert sie einen Sound, der eigentlich ebenso untergegangen ist wie Rundtischgruppen und überquellende Aschenbecher in den Nachtklubs der 50er-Jahre.

Swing, Jazz, Mambo und Tango werden mit Gute-Laune-Orchester und harmlosen Texten auf gute alte Zeit gemacht, gemütliches Vinylknistern inklusive. Cognacschwenker-Lässigkeit und pompöse Bläser-Fanfaren von damals landen mit Big-Band-Schirmchen, modernen Klubbeats und Hip-Hop-Plattenkratzen wie im Song "Absolutely Me" in belebenden Song-Cocktails. Der erste weckt das Verlangen nach mehr, die tanzbare Fröhlichkeit steigt, aber nach zwölf Stücken fühlt man sich wie erschlagen, und der Kater ist von einem anderen Stern.

Dennoch laufen "A Night Like This", Caro Emeralds erfolgreichster Single-Hit, und "Stuck" jetzt auch hierzulande im Radio rauf und runter, das Album ging in die Top Ten, und der starke Quasi-Bond-Song "The Lipstick On His Collar Doesn't Seem To Match Mine" verfolgt zumindest den Autor dieser Zeilen bis in den Schlaf.

Dabei wäre Caro Emerald vielleicht Caroline Esmeralda van der Leeuw, geboren 1981 in Amsterdam, geblieben, wenn nicht etwas Wunderliches passiert wäre. Zwei Jahre nach ihrem Jazzgesang-Abschluss am Conservatorium van Amsterdam im Jahr 2005 suchte das Produzenten-Trio David Schreurs, Jan van Vieringen und Vince Degiorgio (NSYNC, Atomic Kitten) eine Sängerin, die ein Demo für eine japanische Band einsingen sollte. Emerald war für den Song "Back It Up" nur zweite Wahl, aber nach der in nur einem Take abgeschlossenen Session waren sich die Produzenten sicher, auf eine Goldkehle, eine Smaragdstimme gestoßen zu sein. Diese Meinung hatten sie zu Beginn exklusiv, weshalb sie ein eigenes Label gründeten und ihrer Entdeckung "Back It Up" als ersten Augenbrauenheber - Platz zwölf in den Niederlanden - auf den Leib schneiderten. Das war 2009.

"Deleted Scenes From The Cutting Room Floor" nutzt die in Radio, TV-Shows und Internet geweckte Neugier derart perfekt, dass sich selbst die Großen im Musikgeschäft nicht länger zieren und Universal die Scheibe ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung auch in Deutschland in den Markt drückt. "Ich glaube, das Wichtigste an meiner Musik ist, dass sie wirklich erfrischend und authentisch rüberkommt", fasst Emerald das Phänomen selbst zusammen. Mal sehen, was davon im CCH bleibt, so ohne Rundtischgruppen und überquellende Aschenbecher.

Caro Emerald, Hamel Mi 9.11., 20.00, CCH Saal 1 (S Dammtor), Tiergartenstraße 2, Karten zu 39,45 bis 53,25 an der Abendkasse; www.caroemerald.com