Die gelungene Dokumentation “Brasch“ von Christoph Rüter widmet sich dem Schriftsteller, Dramatiker und Filmemacher Thomas Brasch.

"Vor den Vätern sterben die Söhne" hieß das erste Prosastück des Schriftstellers, Dramatikers und Filmemachers Thomas Brasch. Es erschien 1976 im Westen. Nur dort wurde er publiziert, und dort ging er auch hin: Er reiste aus. Obwohl er, der Sohn eines hohen Kulturfunktionärs im sozialistischen Teil Deutschlands, die DDR doch eigentlich gar nicht verlassen wollte. Aber er hatte nichts anderes als das Arbeiten. "Schreiben heißt für mich, öffentlich Ängste zu überwinden", sagt Brasch einmal in dem wundervollen Dokumentarfilm "Brasch - Das Wünschen und das Fürchten".

Christoph Rüter setzt in dem Werk Thomas Brasch (1945-2001) ein Denkmal. Ende der 90er-Jahre begleitete er den ehemaligen Dissidenten, der als Sohn österreichischer Juden in England geboren wurde, mit seiner Kamera im wiedervereinigten Berlin. Er fängt das Leben eines rastlosen Intellektuellen ein, der nach der Wende für Jahre verstummte.

Rüter, der mit Brasch befreundet war, fand 27 TV-Kassetten im Nachlass des Dichters, mit dem er den Alltag, den zunehmenden Wahn und körperlichen Verfall nach 1990 dokumentierte. Die meisten Aufnahmen stammen aus Braschs Wohnung in Berlin-Mitte. Die Kamera ist Brasch stets nah. Wenn man in sein hageres Gesicht schaut: schmerzlich nah. So nah, wie man ihm in seinen Texten kommt, in seinen Arbeiten. Aus ihnen werden in dem Film Sequenzen gezeigt. Sie sprechen für sich. Brasch, der Jude, kam aus einer Familie, die in der Shoah viele verlor. Und er kam nach dem Prager Frühling ins Gefängnis (der Vater, machtvoll war er, wollte ihm nicht helfen). Um diese beiden Erfahrungen kreisen Werk und Lebensangst Braschs.

Bewertung: überragend

Brasch D 2011, 95 Min., ab 12 J., R: Christoph Rüter, tägl. außer Fr im 3001; www.neuevisionen.de