Der Schriftsteller Thomas Glavinic ist “Unterwegs im Namen des Herrn“ - eine der amüsantesten Erzählungen der jüngsten Zeit

Der Wiener Lebemann Thomas Glavinic hat ein Buch über Gott geschrieben? Der Glavinic, der am liebsten jedes Jahr zwei Bücher veröffentlichen würde und davon durch seine Lektorin im Hanser-Verlag abgehalten werden muss? Immerhin das also ist ihm dieses Jahr gelungen: "Im Namen des Herrn" ist nach dem eher mittelprächtigen Roman "Lisa" Glavinics zweites Buch binnen weniger Monate.

Und es ist eine der amüsantesten Veröffentlichungen in jüngster Zeit: Der Ich-Erzähler, der nicht zufällig Thomas Glavinic heißt, geht mit einem Spezi auf Pilgerfahrt - ins bosnisch-herzegowinische Dorf Medjugorje. Das Buch ist nicht als Roman deklariert. Man darf also davon ausgehen, dass Glavinic wirklich in dem kleinen Ort war, in dem 1981 die Muttergottes erschienen sein soll. Glavinic, 1972 in Graz geboren, fährt nach Medjurgorje, um zu "sehen, welche Menschen Pilgerreisen unternehmen, (...) erfahren, wie es auf einer solchen Reise zugeht". Und das tut der den sehr irdischen Sinnenfreuden sehr zugetane Glavinic dann auch. Eigentlich wollte er nach Lourdes fahren, der Trip zu Gott ist über die Abfahrt Bosnien freilich viel billiger zu haben.

Glavinic ist ein ziemlich gnadenloser Teilnehmer der Reise, er wird auf harte Proben gestellt. Da ist der (aussichtslose) Versuch, einen Funken Glauben in sich zu entfachen: "Die nächste Stunde sitze ich da und bringe es fertig, nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, und der dreht sich um die Frage, ob Gott, wenn er existiert, jederzeit meine Gedanken liest."

Was wäre, wenn er es täte? Der ungläubige Thomas käme nicht in den Himmel - seine Zweifel sind groß. Für einen der Mitreisenden beten möchte er nicht, kann er nicht; obwohl es den Gepflogenheiten entspricht. Er weiß ja nicht mal, wie ein Vaterunser geht!

Aber das macht nichts, dafür ist sein Blick geschärft, er fällt auf die seltsam frömmlerische Reisegesellschaft, der ein, nun ja, professioneller Führer vorsteht, der 635-mal in Medjurgorje war: "Geht's alle aufs Klo!", ruft der Reiseleiter (beim ersten Boxenstopp), "hier kostet es nichts, im Grazer Hauptbahnhof kostet's einen halben Euro!"

Um Gottes willen! Da will man nicht wirklich mitfahren. Aber Glavinic und sein Fotografenfreund Ingo kämpfen sich durch. Glavinic putscht sich mit unzähligen Tassen Kaffee am Tag hoch, und spätestens am Ziel der Reise ist ein ziemlich hoher Bierkonsum (trotz Fieberattacken) Helfer in der Not. Nüchtern hältst du's hier nicht aus. Die Mitreisenden gehen zur Messe, Glavinic bekommt es mit der Angst zu tun. Er gruselt sich vor dem Glaubensbekenntnis seiner Umgebung. Außer einem notgeilen Tennislehrer, der in Medjurgorje Abbitte leisten will, trifft Glavinic, so scheint es, ausschließlich auf Muttergottes-Fanatiker. "Sie fallen mir (...) auf Schritt und Tritt negativ auf. Nämlich durch ihre Gesichter. Das ist es: Mich machen diese harten Gesichter mittlerweile aggressiv. In keinem Gesicht erkenne ich das, was ich erwartet habe, nämlich mindestens Offenheit und Freundlichkeit, wenn schon keine Liebe. Hier haben alle diesen harten Blick."

Und deswegen bricht er den Ausflug ab. Keinesfalls wollen die sympathischen Wallfahrer Thomas und Ingo in einem Bus mit den Hardcore-Gläubigen zurück nach Wien fahren. Sie fahren lieber nach Split. Dort wartet die zweifelhafte Erlösung: in Person eines lokalen Mafiosos, der sie auf Ziegen schießen und allzu tief ins Glas schauen lässt. Herrlich absurd, das alles.

Thomas Glavinic: "Unterwegs im Namen des Herrn". Hanser, 208 S., 17,90 Euro