Ein Wiedersehen mit Fritzi Haberlandt, die am Thalia zum Publikumsliebling wurde. Mit “Fenster zum Sommer“ kommt sie jetzt in die Kinos.

Hamburg. Vielleicht ist Fritzi Haberlandt die verhinderte Diva des deutschen Films. In enger Jeans und gepunkteter Bluse wirkt sie noch immer wie das nette, niedliche Mädchen von nebenan. Eines, das jeder gerne zur Freundin hätte. Auf der Bühne hat sie das Kindlich-Verspielte in den vergangenen Jahren abgelegt. Heute ist sie auch mal eine "Anna Karenina". Eine erwachsene Tragödin mit Ehekrise. Manchmal vermisse sie es, die 15-Jährigen zu spielen, gibt sie zu. Derzeit ist die 36-jährige Berlinerin, die lange Jahre unter Ulrich Khuon dem Thalia-Ensemble angehörte, mal wieder im Kino zu sehen. "Fenster zum Sommer" heißt das neue Werk. Eine "Familienarbeit"; wie sie sagt. Ihr Lebensgefährte Hendrik Handloegten führte Regie. Die Mitspieler Mark Waschke, Lars Eidinger und Nina Hoss sind enge Berliner Freunde. Man kennt sich noch von der Berliner Schauspielschule Ernst Busch.

In "Fenster zum Sommer" hat Haberlandt nicht die Hauptrolle. Das macht aber nichts. Sie spielt Emily, eine junge alleinerziehende Mutter im Chaos ihrer Männerverabredungen. Mit der gut sortierten Arbeitskollegin und Hauptfigur Juliane, gespielt von Nina Hoss, pflegt sie eine ungleiche Freundschaft. Die wird auf die Probe gestellt, als sich Juliane plötzlich zeitlich sechs Monate zuvor wiederfindet. Da steckt sie noch mittendrin in einer unbefriedigenden Beziehung. Und ihre Freundin Emily ist noch nicht Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls.

Wo hört die Vorbestimmung auf, wo fängt die eigene Wahl an?, fragt der Film. "Die beiden mögen sich wirklich, auch wenn sie einander komplett falsch verstehen", sagt Haberlandt mit Berliner Akzent. Natürlich trage man Verantwortung für eigenes Handeln und auch für das Schicksal. "Der Film gibt der Figur eine zweite Chance. Sie muss Verantwortung für ihre Liebe übernehmen und sich überprüfen, was sie bereit ist zu opfern."

Ihrer Figur gewinnt sie erneut skurrile, auch komische Momente ab. Wieder einmal mimt sie eine eher ungelenke, etwas schräge Figur. Frauen, die die Liebe verpassen, um Haaresbreite am Glück vorbeischlittern, leicht schief ins Leben gebaut sind, scheinen ihre Spezialität zu sein. Aber sie zeigt stets das Unkonventionelle, Liebenswerte, Tiefe ihrer Figuren.

Wie in der leider wenig überzeugenden Komödie "Eine Insel namens Udo" neben Kurt Krömer oder in dem Fernsehfilm "Ein spätes Mädchen", ebenfalls von Handloegten, für den sie den Hessischen Film- und Kinopreis erhielt. Nie würde sie ihre Figuren verraten. "Ich habe keine Angst, auf die skurrile Chaotin festgelegt zu werden. Ich mag diese Rollen, weil sie Ecken und Kanten haben", sagt Haberlandt offen. "Ich bin nicht die schöne blonde Ehefrau, die dem Mann ab und zu den Rücken streichelt. Die Figuren sind nicht mit sich im Reinen. Das finde ich super. Da kann ich viel zeigen. Kauzig oder schräg finde ich zum Spielen interessanter." Anscheinend bringe sie so etwas mit, gibt sie zu. Und deshalb sei es albern, dagegen anzuspielen. Dennoch würde man dieser Schauspielerin ernsthafte, reife Rollen, die sie im Theater längst spielt und die sie etwa in "Erbsen auf halb acht" auch auf der Leinwand schon gezeigt hat, häufiger wünschen.

In der Erinnerung der Hamburger ist sie als Thalia-Ensemblemitglied der Khuon-Ära unvergessen. Als komisch-verzweifelte Göre in Andreas Kriegenburgs "Nachtasyl". Oder als ungewöhnlich expressive "Lulu" in Michael Thalheimers Schnitzler-Adaption. Und natürlich als ungelenke, scheinbar einem Klotz von Mann ausgelieferte Julie in dessen Durchbruchsarbeit, "Liliom", für die "Theater heute" sie 2001 zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres kürte. Und noch immer ist sie gerührt, wenn sie in Hamburg spielt. "Die Hamburger sind so entzückend. Die lieben einen hier so sehr", sagt sie. "Ich war damals froh wegzugehen, weil ich so wahnsinnig viel gearbeitet habe. Aber jetzt mit dem Abstand begreife ich, was für eine tolle Zeit das war. Die Treue und diese Liebe der Leute, das habe ich später erst kapiert."

Später. Als sie nach Berlin ging, wo sie, als freie Schauspielerin arbeitend, jeden Abend andere Gesichter im Publikum erblickt. "Da weißt du nie, mal läuft es total gut, und dann kommt plötzlich keiner, und man weiß nicht, warum." Auch hier hat sie Erfolg. Mit "Anna Karenina" in Jan Bosses Regie oder "Mea Culpa", dem Vermächtnis des wenig später verstorbenen Christoph Schlingensief. "Das war der Wahnsinn. Wir mussten uns so intensiv mit dem Tod auseinandersetzen", sagt sie. Emotional sei es ein Ritt gewesen. Grenzwertig für sie als Mensch. Schrecklich und toll zugleich. Da war sie eigentlich schon mittendrin in ihrer Theaterpause. Ausgespielt nach zu viel Arbeit, zu vielen abgerufenen Emotionen. Noch immer sieht sie sich eher als Zweiflerin. "Ich kann mir die Projekte aussuchen, aber ich will mich nicht mehr so übernehmen. Da werde ich unglücklich." Kraft tankt sie heute im gemeinsamen Häuschen mit Handloegten nördlich von Berlin. In ihrem dörflichen Garten ist sie häufiger anzutreffen als in den Cafés von Berlin-Mitte. Im Kino wird man sie demnächst an der Seite von Götz George sehen. Auch wenn eines für sie feststeht: "Die Bühne bleibt mein Ausdrucksmedium." Die Theaterpause ist beendet.