Endlich spielen die Cowboy Junkies ihren psychedelischen Singer-Songwriter-Blues wieder in Hamburg - am 3. November in der Fabrik.

Hamburg. "Zum ersten Mal seit 20 Jahren haben wir weder einen Plattenvertrag noch sonst irgendwelche Verpflichtungen", schrieben die Cowboy Junkies im Sommer 2010 auf ihrer Website. Bei anderen Bands wäre ein solcher Satz das Eingeständnis einer Niederlage, der Anfang vom Ende. Oder sogar schon mehr. Doch bei den Cowboy Junkies aus Toronto, die am Donnerstag in der Fabrik spielen, ist davon nichts zu spüren. Da gibt es kein Bedauern, sondern das Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Endlich keine Kompromisse mehr. Keine Rücksicht mehr nehmen müssen auf besserwissende Manager, kein Beugen vor komplizierten Vertriebsstrukturen. Stattdessen: Was gewollt ist, wird gemacht.

Etwa die inzwischen zu drei Viertel komplettierte "Nomad Series", ein auf 18 Monate angelegtes Vier-CD-Projekt, das in diesem Winter sein Ende finden soll und an das sich gewiss keine Plattenfirma gewagt hätte. Anders als das 1985 von den Geschwistern Margo, Michael und Peter Timmins sowie Alan Anton gegründete Quartett, das das Internet längst als wichtigste Vertriebsquelle entdeckt hat. Das aktuelle Top-Angebot für alle Fans: ein Abo, das zum Preis von 150 US-Dollar neben der kompletten "Nomad Series" in CD-Form unbegrenzte Downloads sämtlicher ca. 300 Junkies-Songs enthält. Die neueste Veröffentlichung "Sing My Meadow", ein furioses Psychedelic-Blues-Album, war für etwa zwei Wochen gar zum Einstiegspreis von 2,99 US-Dollar zu haben. Da greift auch zu, wer eigentlich zögern würde, wird reich belohnt und ist womöglich elektrisiert.

Doch bei allem Jubel über die neuen Wege, die die seit vielen Jahren von Jeff Bird (Mandoline) unterstützten Kanadier recht erfolgreich gehen: Diese wunderbare Band, die Folk, Blues und Countryrock so perfekt verbindet, hat auch keine echte Alternative. Kritikerlieblinge waren sie immer, aber in die Charts schafften sie es meist nur in ihrer Heimat. Trotz extensiver Touren durch die USA und Europa sind die Cowboy Junkies ein Geheimtipp geblieben. Das zeigte sich beispielsweise beim letzten Hamburg-Auftritt der Band im März 2007. Sogar aus Italien und Dänemark waren Fans zu den zwei Konzerten im Imperial-Theater angereist, trotzdem blieben an der Reeperbahn Plätze leer, als Margo Timmins mit ihrer ätherischen Stimme für Gänsehautmomente sorgte.

Dass die Junkies gemessenen an ihrer Klasse wenig Massenappeal haben, ist zwar ungerecht, hat die Band aber nie auf Mainstream-Kurs gebracht, wie die "Nomad Series" sehr schön belegt. Das erste Album "Renmin Park" enthält einen Songzyklus, der auf musikalischen Eindrücken basiert, die Michael Timmins bei einem längeren China-Aufenthalt gewann. Teil zwei, "Demons", besteht aus Coverversionen von Songs des 2009 verstorbenen Singer-Songwriters Vic Chesnutt, einem langjährigen Freund der Band. Teil drei, "Sing My Meadow", ist laut und düster, von fiebriger Sinnlichkeit - als hätten die Junkies unvermittelt Abgründe der menschlichen Seele entdeckt, die ihnen bisher verschlossen waren. Der vielleicht größte Coup ihrer Karriere. Aber: Wer unbedingt in die Charts will, wer von ausverkauften Arenen träumt, nimmt anderes auf. Teil vier wird ausschließlich neue Songs versammeln, die allerdings teilweise schon länger zum Live-Repertoire gehören.

Übrigens ist die "Nomad Series" nicht die erste ungewöhnliche Aktion der Cowboy Junkies. Unvergessen ihr "Roots On The Rails"-Projekt im November 2006, als die Band einen Zug mietete und mit 63 Fans fünf Tage lang die 3455 Kilometer lange Strecke von Toronto nach Vancouver fuhr. Sieben Unterwegs-Konzerte mit wechselnden Setlists und Besetzungen inklusive. Noch heute schwärmen Mitreisende davon, wie sie mit Margo Simmons im Abteilwagen Stilton und Portwein teilten, bevor die Anfang der 90er-Jahre vom US-Magazin "People" zu einer der schönsten Frauen der Welt gewählte Sängerin auf die kleine Bühne ging, um Junkies-Klassiker wie "Misguided Angel" oder "To Love Is To Bury" anzustimmen. Und weil die Junkies eben keine normale Band sind, ließen sie es auch zu, dass Audiomitschnitte dieses Ereignisses im Fan-Forum kostenlos vertrieben wurden.

Der Fabrik-Auftritt an diesem Donnerstag ist nun der Auftakt zu einer kurzen Europa-Tour mit weiteren Stopps in Hannover und Berlin, in Brügge, Paris, San Sebastian, Madrid, Cartagena und Barcelona. Eine seltene Chance also, eine Band zu feiern, die keinen Plattenvertrag hat - und auch noch froh darüber ist.

Cowboy Junkies Do 3.11., 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten zu 38,05 im Vorverkauf; www.cowboyjunkies.com