Jérémie Rohrer zeigt in der Laeiszhalle, wie aufregend anders dessen Musik sein kann

Hamburg. Mozarts Musik sei zu einfach für Kinder und zu schwer für Erwachsene, heißt es gern. Mit seinen 28 Jahren könnte man Jérémie Rhorer fast noch in der planlosen Dirigenten-Krabbelgruppe verorten. Doch was der Franzose mit seinem großfamiliär agierenden Ensemble "Le Cercle de l'Harmonie", dem Chor "les éléments" und dem Solisten-Quartett bei ihrem gemeinsamen Laeiszhallen-Gastspiel aus zwei geistlichen Kompositionen Mozarts herausholte, war phänomenal ausgereift und vital.

Rohrers Pult-Präsenz ist unauffällig, aber enorm wirkungsvoll. Da leitet keiner von oben, sondern denkt und empfindet auf Augenhöhe mit, ist Teil des Ganzen und nicht bloß Schrittmacher. Diese Delikatesse spielte man schon in den "Vesperae solennes de Confessore" elegant aus, einem dramatisch modellierten und deswegen heiklen Stückchen Gebrauchs-Kirchenmusik, in das der Schalk Mozart auch weltliche Anklänge einfließen ließ. Das "Magnificat" am Ende kam geradezu opernhaft daher, das Sopran-Solo "Laudate Dominum" wurde von Sylvia Schwartz mit einer Inbrunst gestaltet, die ans Beichtpflichtige grenzte.

In der c-Moll-Messe KV 427 zog Rhorer mit großem Fingerspitzengefühl andere Register. Ohne den Gesamtklang romantisierend verklumpen zu lassen, blieb alles klar und licht, hatte Tiefe und Bedeutung. Auch hier schien es, als stünde ein sinnsuchener Altmeister am Pult, der nichts lieber meidet als Konvention und Floskelproduktion.

Was von diesem Abend bleibt, der mit frenetischem Beifall vor und glücklichen Gesichtern auf der Bühne endete? Der Eindruck, wie unbekannt selbst Mozart immer noch sein kann. Er muss nur so radikal und doch elegant anders gedacht und interpretiert werden wie von Virtuosen dieser Generation, die über stilsichere Fantasie verfügen. Und es bleibt noch mehr der Wunsch, die Programmplaner der Elbphilharmonie-Konzerte würden sich für die nächsten Spielzeiten auch im Bereich der authentischen Aufführungspraktiker entschiedener umhören.