Die Galerien von Elke Dröscher und Holger Priess zeigen Arbeiten des niederländischen Künstlers Herman de Vries zu dessen 80. Geburtstag

Dröscher/Priess. Sie sind garantiert naturbelassen, präsentieren sich aber im Rahmen der Kunst: Blätter, Steine, Schilfrohre - alles reine Natur, die Künstler Herman de Vries wie eine bewusste Setzung, wie ein Statement über den Umgang mit der Natur an sich formuliert. Die Hamburger Galerien Elke Dröscher und Holger Priess zeigen jetzt gemeinsam Arbeiten des Niederländers, der vor Kurzem seinen 80. Geburtstag feierte.

In der Natur suchen sich Blätter durch den Wind ihre eigene Ordnung auf dem Boden, die wir Betrachter als Chaos deuten. Herman de Vries liest sie auf und legt sie in ihrem Zufallsmuster auf weißem Papier aus. Ein anderes Mal löst de Vries alle Blätter eines einzigen Ginkgo-Zweigs, um sie der Größe nach auf neutralem Grund anzuordnen. Keines gleicht dem anderen. Das Blätter-Arrangement mutet wie eine naturwissenschaftliche Schautafel an, wie eine Vitrine, die dem Forschungsobjekt seine nachträgliche Individualisierung erlaubt. Genauso wie auch jene Erdabreibungen, die ein wenig an die Farbtafeln von Gerhard Richter erinnern.

De Vries sammelt Erden, weltweit, um sie später auf Papier zu verreiben. So lange, bis kein Krümel mehr übrig bleibt und eine hauchdünn-monochrome Farbfläche das Papier bedeckt. Über 100 solcher Erdabreibungen, in gleich großen abgerundeten Rechtecken voneinander abgesetzt, verdichten sich zu einem Atlas der individuellen Erden. Von zartem Orange bis zu tiefem Schwarz reicht ihre Farbpalette.

Herman de Vries' Abreibungen nehmen - zumindest gedanklich - sogar geopolitische Züge an. Der Künstler gruppiert sie nach nationalen Kriterien. Da gibt es Erden aus Palästina oder Deutschland. Ob die auffälligen Unterschiede in diesen irdischen National-Naturfarben auch tatsächlich historisch-politische markieren, bleibt jedoch wie so oft in der Kunst der Vorstellungskraft des Publikums überlassen.

+++ Die Galerie der Woche +++

De Vries' Karriere begann zweigleisig als Landarbeiter, später Naturwissenschaftler sowie als Künstler. Er malte im vorherrschenden Stil der Abstraktion, widmete sich aber schon bald dem Konkreten und Zufälligen im Umkreis der niederländischen Gruppe Nul, die der deutschen Zero-Gruppe nahestand. Zufallsmuster übersetzte er in konkrete Konstruktionen.

Übrig geblieben davon ist sein Spiel mit dem Zufall, den er seit den 70er-Jahren in seinem nun alles beherrschenden Motiv der Natur wiederfand. Über sein Verhältnis zu ihr hat er einmal auf zwei philosophische Köpfe verwiesen. Ausschlaggebend für ihn ist nicht Descartes' analysierendes Credo "Cogito ergo sum" (Ich denke, also bin ich), sondern das seines Zeitgenossen Pierre Gassendi. "Ambulo ergo sum" (Ich spaziere, also bin ich) sagte dieser und machte damit den Sinn frei für jenes berühmte Ziel, das der Weg ist.

So verhält sich de Vries wie ein Wanderer im Mikro- und Makrobereich der Natur, indem er dort Setzungen vornimmt, wo der Zufall herrscht. In Stuttgart etwa errichtete er um einen Wildwuchs einen hohen Zaun, als befände sich hinter ihm ein von Menschenhand kultivierter Hortus Conclusus, ein geschlossener Garten.

Und manchmal spaziert de Vries durch die Wiesen, bestimmt einen fest umrissenen Ort, um dessen Graswuchs mit zwei Glasplatten wie das Innenleben eines Sandwichs zu fixieren. Getrocknet und gerahmt erinnern diese "Rasenstücke" nicht nur an Dürers berühmtes Vorbild. Für de Vries repräsentieren sie ebenso "Wirklichkeit als selbstständiges Dokument" wie "Wirklichkeit als Bewusstseinsprägung".

Herman de Vries - Werke aus der Wirklichkeit: Elke Dröscher - Kunstraum Falkenstein, Holger Priess * Galerie, bis 26.11.

Holger Priess * Galerie (S Stadthausbrücke, U Rödingsmarkt), Admiralitätstr. 71, Mi-Fr 14.30-18.30, Sa 12.00-15.00, T. 36 41 31 o. 0176/48 28 80 20; www.holgerpriess.com

Elke Dröscher - Kunstraum Falkenstein (S Blankenese + Bus 286), Grotiusweg 79, Di-Fr 11.00-17.00, Sa 11.00-14.00, T. 81 05 81; www.elke-droescher.de