Kurz vor seinem 75. Geburtstag stellt Wolf Biermann im St.-Pauli-Theater sein neues Buch vor

Hamburg. Er ist Profi durch und durch, dieser ewig junge Wolf Biermann. Auch wenn er nur noch einen knappen Monat vom 75. Geburtstag entfernt ist - an Witz, Klugheit, Schlagfertigkeit, Wortgewalt und Gefühlstiefe gibt es nicht viele, die mit diesem Mann mithalten können.

Bei der Vorstellung seines neuen Buches "Fliegen mit fremden Federn" im St.-Pauli-Theater entpuppte er sich zudem als weiser Meister des Mund-wässrig-Machens. Immer wieder erzählte er Anekdoten zu einzelnen Poeten, Liedern oder Gruppen von Texten, um dann schlau auf die gedruckte Fassung zu verweisen, die im Foyer erstanden werden konnte - Autogramme und eine vergessene Textzeile inklusive.

Die Gitarre, die er so unnachahmlich spielt und schlägt, dass sie klingt wie Maschinengewehrfeuer und gleich darauf wie zartestes Liebesgeflüster, die blieb über lange Strecken ungespielt. Statt ihrer brillierte der Erzähler Biermann, dessen reiches Leben ein unerschöpflicher Fundus von Erlebnissen und Begegnungen ist.

Biermann sprach vor allem darüber, wie die Texte des Buches, das seine Übertragungen aus 17 fremden Sprachen ins starke, unverkennbare Biermann-Deutsch zusammenfasst, den Weg zu ihm fanden aus Gulags, über Eiserne Vorhänge, aus den Händen von Freunden, von Besuchern beim Verbotenen in der Ostberliner Chausseestraße 131. Und darüber, wie man Texte so ins Deutsche überträgt, dass sie nicht gleich gut, "aber wenigstens besser" werden als das Original. Da schimmert dann auch durch, was er damit meint, wenn er von sich als "poetischem Transportarbeiter" spricht: Es ist harte Arbeit, die Kraft kostet und Fingerspitzengefühl braucht.

Gesungen hat er auch, wobei seine Frau Pamela eine sehr tragfähige Ergänzung zum Brummeln und Schreien, zum genießerischen Summen und zu den verliebten Biermann-Blicken war. Es gab Lachtränen bei seiner urkomischen Übertragung von Harry Belafontes Calypso "Mama loo a Boo Boo", und manch einer wird träumend nach Hause gegangen sein, im Ohr immer noch den verspielt trotzigen Refrain von "Le Temps des cerises", dem französischen Liebeslied-Klassiker, der nach der Zerschlagung der Pariser Commune ein urpolitisches Neu-Verstehen erfuhr.

Ein kleiner, großer Abend, ein großes Buch, hinreißende Texte!

Wolf Biermann: "Fliegen mit fremden Federn". Hoffmann und Campe, 544 S., 26 Euro