Chris Barber lässt in der Laeiszhalle Duke Ellington hochleben

Hamburg. Seine großen Mitstreiter aus der Gründerzeit des britischen Nachkriegsjazz bedeckt alle der Rasen - Humphrey Lyttelton, Lonnie Donegan, Ken Colyer, Monty Sunshine. Von dieser Pioniergeneration, die sich außer mit Swing auch unheilbar mit dem Blues infiziert hatte, ist Chris Barber, 81, der letzte Überlebende. Am Sonnabend ließ der ebenso flüssig wie stellenweise unverständlich auf Deutsch parlierende Bandleader, Posaunist und Bassist bei seinem alljährlichen Auftritt in der Laeiszhalle keinen Zweifel daran, dass er auch weiterhin der Unverwüstliche zu bleiben gedenkt. Der Nachfolgetermin für ihn und seine Big Chris Barber Band im Herbst 2012 sei schon gebucht, teilte er den zahlreichen Anwesenden fröhlich mit. Ehrensache in dieser Stadt, die infolge ihrer Skiffle- und Trad-Jazz-Verrücktheit in den 50er-, 60er-Jahren lange den Namen Freie und Barberstadt Hamburg führte.

Mit seinem Tentett, das sich zwischenzeitlich zum Sextett, gar zum Quartett verschlankte, spielte Barber nach wie vor schön lässig einen vielfarbig arrangierten, an Duke Ellington angelehnten Jazz. Zwei Posaunen, zwei Trompeten, dazu drei Saxofonisten, die alle auch Klarinette blasen, dazu eine weitgehend auf Banjo, Bass und Schlagzeug reduzierte Rhythmusgruppe: Da ist alles möglich, vom Beinahe-Bigband-Sound bis zum swingenden Kammerspiel zu zweit. Der Verzicht aufs Klavier lenkte die Aufmerksamkeit noch stärker auf die Bläser, die ihre Sätze sehr homogen spielten und allesamt auch als mal hitzige, mal sensible, immer aber leidenschaftlich swingende Solisten glänzten.

Wunderbar karg und nah am Original erklang etwa Ellingtons "Black And Tan Fantasy". Über stoisch durchgehaltene langsame Viertel blies zunächst David Horniblow den Blues auf seiner Klarinette, ehe seine beiden Saxofon-Kollegen ihm auf ihren Klarinetten zu Hilfe kamen. Die Blechbläser erfreuten mit sanft-saftigen Growl-Effekten, zwischendurch zogen sich die beiden nun wieder Saxofon spielenden Klarinettisten in die Kulissen zurück und simulierten Musik wie aus der Ferne. So stilecht dürfte die berühmte, feierlich-fröhliche Begräbnisstimmung à la New Orleans derzeit wohl von keinem anderen Ensemble in Europa zu bekommen sein.

In der sonst so schön an den Musizieridealen von New Orleans bis Swing orientierten Band stellte Miles Davis' "All Blues" nicht nur den Gipfelpunkt der Moderne dar, sondern auch den (einzigen) Tiefpunkt originellen Musizierens. So frisch und selbstbewusst die Band sich auf Oldtime versteht, so statisch, ja altbacken spielte sie das um Jahrzehnte jüngere Stück.