Kunstwerke des Alltags: Das Museum für Kunst und Gewerbe würdigt die Kunsthandwerker Gerda und Wilfried Moll mit einer Retrospektive.

MKG. Es sind Kunstwerke des Alltags: Teekannen, Zuckerdosen, Becher, Kelche oder Leuchter aus Silber sowie Ketten, Ringe oder Broschen aus Gold. Sie glänzen makellos und sind von geradezu atemberaubender Schönheit.

Unter dem Titel "Moll. Silver + Gold" zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) eine große Retrospektive eines namhaften deutschen Kunsthandwerker-Ehepaares. Die Hamburgerin Gerda Moll ist Goldschmiedin, ihr Mann Wilfried ist Silberschmied. Sie arbeiten seit vier Jahrzehnten zusammen, aber in getrennten Werkstätten und manchmal auch auf sehr unterschiedliche Weise. "Gemeinsam sind wir auf der Suche nach der absoluten Form", sagt Wilfried Moll, "aber unsere Arbeitsweisen sind unterschiedlich. Meine Frau zeichnet sehr viel besser als ich. Sie entwickelt die Form zeichnerisch, während ich diese zunächst aus Papier ausschneide." In der Mitte des Ausstellungsraums sind die Arbeitsschritte anhand von Zeichnungen und Papiermodellen gut nachvollziehbar, sozusagen ein Making-of der Objekte.

Der Umgang mit Silber erfordert mehr körperlichen Kraft als die Arbeit eines Goldschmieds. Auch daraus mag sich die Arbeitsteilung des Ehepaars erklären. "Ein Silberschmied denkt in viel stärkerem Maß architektonisch. Wenn man Tafelgerät herstellt, setzt man dessen Form in Bezug zu den Möbeln des Raums und zur Innenarchitektur. Goldschmiede entwerfen Schmuck meistens viel stärker mit Blick auf die Person", erklärt Wilfried Moll, der sich aber mit seiner Frau darin einig weiß, dass es nicht um das Ornament geht, sondern um geometrische Formen und darum, diese in höchster Meisterschaft zu entwickeln und zu variieren.

Wer die von der neuen MKG-Kuratorin Claudia Banz effektvoll präsentierten Objekte betrachtet, staunt über deren enorme handwerkliche Präzision. Insgesamt sind mehr als 100 Arbeiten zu sehen, die aus allen Schaffensperioden der beiden Kunsthandwerker stammen. Alle ausgestellten Objekte sind Unikate, die oft als Leihgaben der heutigen Besitzer in die Ausstellung gekommen sind. An manchen dieser Teekannen oder liturgischen Gefäße arbeitet Wilfried Moll mehr als 200 Stunden, was sich natürlich in bis zu fünfstelligen Preisen niederschlägt.

Aber für die renommierte Flensburger Silbermanufaktur Robbe & Berking fertigt er auch handgeschmiedete Prototypen, nach denen dann Besteckreihen industriell hergestellt werden.

Kann man einen Unterschied zwischen einem handgefertigten und einem industriell mit höchster Präzision kopierten Messer spüren? Für Wilfried Moll ist das keine Frage. "Natürlich kann man das. Kunsthandwerk hat mit taktiler Wahrnehmung zu tun. Man spürt den Prozess des Machens, die Handarbeit", sagt er, und führt eine interessante begriffliche Unterscheidung ein - zwischen technischer Präzision auf der einen und jener Vollkommenheit auf der anderen Seite, die allein mit der menschlichen Handarbeit erreicht werden kann.

Wilfried Moll absolvierte in Hamburg eine Goldschmiedelehre, ging als Geselle nach Kopenhagen und studierte an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg, Noch heute spricht er bewundernd von seinem Lehrer Andreas Moritz: "Wäre er Musiker gewesen, hätte er ein absolutes Gehör gehabt. Er besaß es in Bezug auf die Form."

Moll ist des Öfteren ausgezeichnet worden, unter anderen mit dem Justus-Brinkmann-Preis, dem Staatspreis der Freien und Hansestadt Hamburg; dem Design-plus-Preis Frankfurt, dem Bayerischen Staatspreis und dem dänischen Karl-Gustav-Hansen-Preis. Er hat seine Werke bereits in großen Museen wie dem New Yorker Metropolitan, dem Victoria & Albert Museum London und der Neuen Sammlung München ausgestellt.

Aber auch Gerda Moll wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hessischen Staatspreis. Sie gehört zu den bedeutendsten deutschen Schmuckgestalterinnen. Einerseits bezieht sie sich auf die Tradition des Bauhauses, dessen Einfluss auch an den Werken ihres Mannes sichtbar wird. Doch zugleich entwickelt sie eine ganz eigene Formensprache, an der Kenner eine "scheinbare Schwerelosigkeit und zurückhaltende Noblesse" rühmen.

Was beide Kunsthandwerker bei aller Eigenständigkeit verbindet, ist die Virtuosität der Gestaltung und die enorme Präzision ihrer Arbeit, bei der sie Formen finden, die von zeitloser Schönheit sind. Zu bewundern noch bis Anfang nächsten Jahres.

Moll. Silver + Gold , bis 8.1.2012, Di-So 11.00-18.00, Do bis 21.00, Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Eintritt 8,-, erm. 5,-, Ki./Jgdl. bis 18 J. frei, Do ab 17.00 reduzierter Eintritt 5,-; www.mkg-hamburg.de