Das amerikanische Jazztrio The Bad Plus klang wie ein Tsunami, der Pianist John Taylor präsentierte im Birdland eine fantastische Sängerin

Hamburg. Freiheit ist immer die Freiheit des anders Angezogenen. In der Kleiderordnung des amerikanischen Trios The Bad Plus, das am Mittwoch im kleinen Saal der Laeiszhalle auftrat, schien diese postmodern verballhornte Maxime Rosa Luxemburgs mitzuschwingen. Der Pianist Ethan Iverson trug grauen Anzug und Krawatte, der Kontrabassist Reid Anderson kam im üblichen Musikerschwarz, der Trommler David King ließ unterm blauen Motiv-T-Shirt Muskeln und Tätowierungen sehen. So individuell die drei Charaktere ihr Erscheinungsbild pflegen, so unverkennbar eigen wirken sie in ihrem musikalischen Tun - und sind doch als Kollektiv unzertrennlich.

The Bad Plus spielen seit zehn Jahren zusammen, in ihrer Rechnung summiert sich das zu rund 1000 gemeinsamen Konzerten. Das erklärt ihr enorm sicheres Zusammenspiel, das man allerdings unmöglich traumwandlerisch nennen kann, denn dazu ist die Musik viel zu aufregend und unorthodox. The Bad Plus präsentierten sich als umwerfende Salon-Berserker des Jazz. Noch im explosiven Powerplay behielt ihre Musik eine rätselhafte Anmut.

Alle drei Bandmitglieder komponieren, und jedes ihrer Stücke reißt auf andere Weise Löcher in die Konventionen des Jazz. Manchen Stücken liegt eine modulationstrunkene Dreiklangsmelodik im Zeitraffer zugrunde, in der man rasch die Orientierung verliert. Technisch perfekt konstruierte Hörlabyrinthe. Der phänomenale Trommler ließ die Bewegungsenergie der Musik machtvoll in einem Eigenraum zwischen Swing, Rock und Punk pendeln. Man hätte den ganzen Abend nur seiner Bassdrum zuhören können und hätte sich keinen Augenblick gelangweilt.

Zum energetischen Höhepunkt des Abends wurde ein neues Stück des Bassisten Anderson, das wie ein demütiges musikalisches Gebet begann und in einer kontinuierlichen Steigerung über mehrere Minuten zu einer gefühlt meterhohen Welle aus Klang anschwoll. Da wurde Musik zur existenziellen Erfahrung. Sie spülte Bilder von der biblischen Sintflut ins Bewusstsein, von Überschwemmungen und Tsunamis.

Sehr viel abgeklärter klang der Jazz, den das Trio Triangoli um den Pianisten John Taylor später am selben Abend im Jazzclub Birdland fabrizierte. Seit den 70er-Jahren zählt der Brite, inzwischen 69, zu den Feingeistern des europäischen Jazzklaviers. An überraschenden Wendungen fehlt es auch in seinem Spiel nicht, an den Tasten ist Taylor ein dichtender Denker. Ihm zur Seite stand mit Palle Danielsson immerhin der Bassist des legendären europäischen Quartetts, das Keith Jarrett einst unterhielt.

Die beiden Altmeister stellten sich in den Dienst der italienischen Sängerin Diana Torto, die bei uns nahezu unbekannt geblieben ist. Dabei pflegt sie den Scat-Gesang im Stil der großen Jazz-Diven. Ihre konzentrierten, melodisch wundervoll eigenständigen Improvisationen ließen an eine Lauren Newton mit Italianità denken. Zu erleben war die schöne, seltene Liaison aus Wärme und Abstraktionsvermögen.