Geschichtenerzähler Steve Earle kommt heute zum Deutschland-Konzert in die Markthalle

Er ist ein Energiebündel, ein geradezu Getriebener. Es gibt nicht viele Künstler, die auf so vielen Hochzeiten tanzen wie Steve Earle. Eigentlich ist der 1955 in Fort Monroe/Virginia geborene Rauschebartträger ja Musiker. 22 Alben hat er seit seinem Debüt 1986 veröffentlicht, das ist fast eins pro Jahr. Zuletzt hat es Earle verstärkt vor die Kamera gezogen. In der US-Serie "The Wire" ist er als Drogenabhängiger zu sehen, eine Rolle, in der er eine Menge Erfahrung hat: Anfang der 90er-Jahre hatte er schwer mit seiner Heroin- und Alkoholsucht zu kämpfen. Außerdem spielte er an der Seite von Edward Norton einen Drogendealer in Tim Blake Nelsons Film "Leaves Of Grass" und in der Serie "Treme" einen Straßenmusiker im zerstörten New Orleans der Post-"Katrina"-Zeit. Zudem hat er für Joan Baez ein Album produziert, gerade seinen ersten Roman veröffentlicht, und sein Verschleiß an Ehefrauen ist ebenfalls enorm. In siebter Ehe ist er jetzt mit Ehefrau Nummer sechs verheiratet, der Countrysängerin Allison Moorer, eine seiner vielen großen Lieben heiratete Earle gleich zweimal.

"I'll Never Get Out Of This World Alive" ist der Titel des aktuellen Albums und auch seines Romans, benannt nach einem Song der Country-Legende Hank Williams. Der spielt in Earles Buch eine wichtige Rolle, auch wenn er nur als Geist auftaucht. Aber diese Nachtmahr sitzt dem Protagonisten im Nacken, einem verkrachten und Morphium-süchtigen Arzt, der sich in den 60er-Jahren in Texas mit illegalen Abtreibungen durchschlägt. Obwohl Roman und Album denselben Titel tragen, ist die Platte nicht der Soundtrack zum Buch.

Die elf neuen Songs sind typische Nummern für den Geschichtenerzähler und linken Zeitgenossen. Während der Bush-Ära und vor allem nach dem 11. September 2001 hat Earle sich sehr kritisch mit der Regierung auseinandergesetzt, was ihm von konservativer Seite den Vorwurf einbrachte, er verhalte sich "unpatriotisch". Jetzt ruft er George W. Bush in "Little Emperor" ein fröhliches und befreites "Adieu!" hinterher. In "Gulf Of Mexico" beschreibt er die Geschichte einer Familie von Ölarbeitern, auch ein Liebeslied findet sich mit "Every Part Of Me".

Musikalisch birgt "I'll Never Get Out ..." nicht so viel Überraschungen wie einige frühere Alben. T-Bone Burnett saß auf dem Produzentenstuhl und hat Earle und seine exzellente Band beraten. Die meisten Songs sind allerbester Alternative-Country-Sound, nur der Opener "Waitin' For The Sky" ist eine Rockabilly-Nummer, und "Meet Me In The Alleyway" erinnert an den frühen Tom Waits. Nach Hamburg kommt Steve Earle mit seiner legendären Band The Dukes inklusive Ehefrau Allison Moorer. Es ist übrigens sein einziges Deutschland-Konzert.

Steve Earle & The Dukes Do 20.10., 20.00, Markthalle (U Steinstraße), Klosterwall 9-21, Eintritt 39,95; Internet: www.steveearle.com