David Crosby und Graham Nash lassen heute Abend vor allem mit den alten Songs die Popgeschichte der 60er- und 70er-Jahre lebendig werden.

CCH. Die unromantische Variante: Die Herren brauchen dringend Geld, können einander nicht mehr riechen, übernachten in getrennten Hotels und begegnen sich nur noch auf der Bühne. Mag sein, dass es so ist. Nachprüfen lässt es sich nicht, denn zum Bedauern ihres Tourveranstalters geben David Crosby und Graham Nash keine Interviews.

Die romantische Vorstellung, die natürlich viel schöner ist: zwei Männer, die vor 43 Jahren in Kalifornien beim Kiffen und Musikmachen Freunde wurden, mögen sich trotz allem, was sie seitdem verbunden und getrennt hat, immer noch so gut leiden, dass sie es mit dem anderen aushalten, Songs schreiben, auf Tour gehen und singen. Crosby ist gerade 70 geworden, Nash ist bis zum 2. Februar 2012 noch 69.

Bei Musikhörern, die in den 60er-, 70er-Jahren groß geworden sind, lösen die Nachnamen Crosby & Nash Schauer popgeschichtlicher Ehrfurcht aus. Denn mit David Crosby und Graham Nash steht nicht nur die bessere (?) Hälfte des wundervollen Streithansel-Quartetts Crosby, Stills, Nash & Young auf der Bühne. Die beiden waren vorher ja schon die kreativsten Köpfe der Byrds respektive Hollies gewesen.

Nach dem frühen Ruhm verliefen ihre Karrieren extrem unterschiedlich. Der in Los Angeles geborene David Crosby, der nach wie vor den Wal-rossbart trägt, mit dem er auf dem antikisierenden Gruppenfoto zum epochalen CSN&Y-Album "Déjà Vu" (1970) als flintenbewehrter amerikanischer Gründervater posiert, läuft nach harten Drogenjahren mittlerweile mit einer neuen Leber durch die Welt. Für den in Manchester aufgewachsenen Graham Nash, der Anfang der 70er in die USA übersiedelte, ist das Musikmachen schon lange eine Zweitbeschäftigung. Mit einem Partner entwickelte der schon früh für Fotografie Begeisterte vor 20 Jahren ein Verfahren für hochwertige Digitalprints, das er seither mit seiner Firma Nash Editions vermarktet.

Der Ex-Junkie und Ex-Knacki, der sich auf seiner Homepage kumpelhaft "Croz" nennt, und der erfolgreiche, gesund durchs Leben gekommene Geschäftsmann Nash: Man kann sich ungefähr vorstellen, durch welche Höhen und Tiefen die beiden Herren beruflich und privat miteinander gegangen sind. Und auch wenn die Stimmen inzwischen einigen Rost angesetzt haben, teilt sich beim Zuhören sofort mit, dass ihre Besitzer das Geschäft des Singens uralter und auch ein paar jüngerer Songs nach wie vor mit Hingabe und innerem Feuer betreiben.

Wenn Crosby und Nash mit ihrem alten Kumpel Stephen Stills auf der Bühne stehen, ruft aus dem Dunkel des Saals gern irgendwann ein Besucher komisch oder verzweifelt oder beides: "Neil!" Die Sehnsucht nach dem grimmig-genialen vierten Mann ist verständlich, historisch aber nicht ganz legitim, schließlich begann das Quartett CSN & Y als Trio - ohne Neil Young. Gelegentlich spielen die Herren ja auch heute noch in voller Besetzung zusammen, über die Jahre brachten sie manches gemeinsame Album raus. Aber keins reichte auch nur entfernt an die unglaubliche Verve ihres Debüts "Déjà Vu" heran, die sich auch im Abstand von über 40 Jahren nicht abgenutzt hat. Da bricht aus sechs- und zwölfsaitigen Gitarren, Klavier, E-Gitarren, Bass, Schlagzeug und einer Orgel, vor allem aber aus den vier Kehlen dieser jungen Männer aufs Schönste die zeittypische Mischung aus Lebensfreude und Protest heraus. CSN (&Y) standen auch für die Vereinbarkeit des Politischen mit dem Privaten; der Kampf gegen den Vietnamkrieg ("Wooden Ships") und später gegen die friedliche Nutzung der Atomenergie, bei dem sich insbesondere Graham Nash engagierte, korrespondierte nach Spät-Hippie-Art mit der Sehnsucht nach ländlich-häuslichem Idyll, wo der Mann das Kaminfeuer anmacht, während die Frau die Blumen in der Vase arrangiert ("Our House").

Fans des Frühwerks wird die Setlist entzücken, die auf der Homepage von Crosby und Nash zu sehen ist. Da findet sich neben den genannten Songs auch "Almost Cut My Hair", "Guinnivere" oder "Teach Your Children" - allesamt Hymnen einer Zeit, die umso weniger vergeht, je länger sie vergangen ist.

Crosby & Nash: heute, 20.00, CCH (S Dammtor) Tickets zu 42,- bis 62,- an der Abendkasse