Camilla Läckberg ist die zurzeit erfolgreichste Autorin Schwedens. Im November liest sie beim Hamburger Krimifestival

Kampnagel. Liebhaber schwedischer Krimis wissen: Der bestsellerverdächtige Kommissar hat einen übersäuerten Magen (zu viel Kaffee, zu wenig Gemüse), schätzt den Jazz von Miles Davis und Thelonious Monk und streift nachts um den leeren Kühlschrank herum. Erik Winter und Kurt Wallander heißen die bekanntesten Vertreter dieser Spezies.

Die Ermittlerinnen aus dem hohen Norden sind da insgesamt patenter, weniger vergrübelt-weltmüde, obwohl auch sie kein Prinzessinnenleben führen. Eingemummelt in Daunenjacken stiefeln sie der Lösung des Falls durch Schneewehen entgegen, wie es einst Frances McDormand im 90er-Jahre-Kultfilm "Fargo" der Coen-Brüder so schön vorgemacht hat; sie stemmen sich gegen Wochenbettdepressionen und räumen nach Mitternacht die Waschmaschine aus, damit die Kinder am nächsten Morgen saubere Wäsche haben.

Annika Bengtzon, Karin Adler oder Erica Falck sind ihre Namen. Ersonnen haben sie die Schriftstellerinnen Liza Marklund, Ann Rossmann und Camilla Läckberg.

Ein Klischee? Vielleicht. Was aber viel wichtiger ist: ein Erfolgsrezept. Leser im Millionenbereich sind der beste Beweis. Camilla Läckberg etwa gilt als erfolgreichste lebende Autorin Schwedens. Die in ihrem Heimatdorf Fjällbacka angesiedelten Romane haben sich bislang weit über sechs Millionen Mal verkauft und sind in 30 Sprachen übersetzt, sogar der schwedische Premierminister outete sich als Fan.

"Meerjungfrau" ist nun der sechste Roman in der Serie um Kommissar Patrik Hedström und seine Frau Erica Falck, die Sachbücher über Mordfälle schreibt. Dieses Mal halten sie ein im Eis steif gefrorener Mann und anonyme Morddrohungen gegen einen Schriftsteller auf Trab.

Nun sieht man Camilla Läckberg, geboren 1974, nicht wirklich an, dass sie ihre Tage mit Mord und Totschlag verbringt. Auf den ersten Blick jedenfalls könnte man sich die Frau mit dem verträumten Blick und dem leicht stufig geschnittenen braunen Haar gut als Sängerin einer schwedischen Folkband vorstellen.

Dass das unschuldsengelhafte Aussehen der Autorin kräftig mit vermarktet wird, wen wundert es. Vielleicht mag dies beigetragen haben zum Ärger des schwedischen Schriftstellerkollegen G. W. Persson, der der 30 Jahre jüngeren Läckberg vor ein paar Jahren öffentlich vorwarf, ihre Krimis seien "Kitschnovellen für Pferdemagazine". Camilla Läckberg konterte flugs so gar nicht mädchenhaft-verträumt, bei den Vorwürfen handele es sich um "Pisse von einem älteren Herrn, der sich übergangen fühlt".

Fest steht: Läckberg schreibt flott, ihre Plots sind eingängig, niemals an den Haaren herbeigezogen. Anders als etwa bei Åke Edwardson oder Arne Dahl ist die Stimmung in ihren Romanen zwar ebenfalls nordisch düster, aber nicht brutal oder gar blutrünstig. Es geht um Familienfehden, Kindsmord und Neonazikreise. Darum, dass selbst (oder gerade) in einem Tausend-Seelen-Örtchen, in dem jeder jeden zu kennen glaubt, manch einer ein Doppelleben führt.

Die Kriminalgeschichten der Camilla Läckberg, die heute mit ihrem Mann und zwei Kindern in Enskede bei Stockholm lebt, stehen nicht in der Tradition des berühmten schwedischen Krimidoppels Maj Sjöwall und Per Wahlöö. Sozialkritisch sind ihre Romane höchstens am Rande; die Moral hängt weniger bleischwer über den gelben Rapsfeldern und roten Holzhäusern, als es etwa Henning Mankell zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Bösewichte sind bei ihr nicht Pharmakonzerne, Regierung und Staat, sondern eifersüchtige, gedemütigte, gebrochene Menschen.

"Lebensnah" heißt das Zauberwort, mit dem Buchhändlerinnen und Internetrezensenten Läckbergs Bücher empfehlen. Ihre Helden Patrik Hedström und Erica Falck werden uns wohl noch eine Zeit lang literarisch Gesellschaft leisten.

Camilla Läckberg: Deutsche Stimme: Nina Petri, Mi 2.11., 19.00, Kampnagel, Eintritt 12,-

Hamburger Krimifestival: 1. bis 5. November, Karten in allen Heymann-Buchhandlungen, den Abendblatt-Ticketshops und unter der HA-Ticket-Hotline T. 30 30 98 98; Programm-Infos im Internet: www.krimifestival-hamburg.de

HA-Krimi-Edition: alle Informationen zur Hamburg-Krimireihe des Hamburger Abendblatts unter www.abendblatt.de/krimi