In Berlin ist für ein Jahr eine spektakuläre Ausstellung zu sehen. Sie zeigt auch, was die Griechen Europa geschenkt haben. Türkei verweigert sich.

Berlin. Vögel zwitschern, Grillen zirpen, die Sonne scheint und ganz Pergamon ist auf den Beinen. Man schreibt das Jahr 129. Alle wollen den Kaiser sehen, der in der Stadt weilt, um den neuen Tempel zu besichtigen. Gleich wird Hadrian die mit Blumen bestreute Theatertreppe hinunterschreiten, um unter dem Zeltdach Platz zu nehmen ...

Schlichtweg atemberaubend ist das 360-Grad-Panorama, das die große "Pergamon"-Ausstellung in Berlin eröffnet. Alles, was danach kommt, die ganze Fülle der Grabungsfunde, lässt sich Detail für Detail auf dem 103 Meter langen und 24 Meter hohen Monumentalgemälde wiederentdecken. Aber vor allem lässt sich durch Anschauung begreifen, was Pergamon einst gewesen ist: eine Metropole, die in der Antike wegen ihrer Eleganz und ihrer exponierten Lage auf einem 300 Meter hohen Berg als einzigartig galt und die mit dem Zeusaltar, wie der Römer Ampelius schrieb, das achte Weltwunder in ihren Mauern barg.

Man habe einen "Kracher" gewollt, sagt Andreas Scholl, der Direktor der Antikensammlung, und das von Yadegar Asisi geschaffene Panorama sei spektakulär, weil es den Betrachter an den Ort des Geschehens bringe. Selbstverständlich sei Asisi durchgehend wissenschaftlich beraten worden.

Und der Betrachter wandert staunend auf der in der Rotunde installierten Plattform herum und lässt das lebendig gewordene Pergamon auf sich wirken. Eine Stadt, die im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus das Zentrum des Attaliden-Reiches war und anschließend friedlich an Rom fiel. Eine Stadt, die wegen ihrer Theater, ihrer Bibliothek, ihrer Sport- und Wellnessanlagen als eine Art Kulturhauptstadt der Antike galt.

Die Wissenschaft ist in Berlin also über ihren Schatten gesprungen. Sie hat sich mal nicht an die Konvention geklammert, sondern etwas Außergewöhnliches zugelassen. Ein Jahr lang werden Menschen nach Berlin strömen, um sich die größte und sinnlichste Ausstellung anzusehen, die es jemals über die Ausgrabungen in Pergamon gegeben hat. Vorsichtig geschätzt werden es zwei Millionen sein. Doppelt so viele wie in einem normalen Jahr.

***Die Stadt, die heute Bergama heißt***

Aber es ist ja kein normales Jahr, das jetzt begonnen hat, sondern es ist das letzte Jahr vor der Schließung: Im Januar 2013 beginnt die Sanierung des Hauses, das seit 1907 in Gebrauch ist und eine Generalüberholung dringend nötig hat. Die ist nicht nur teuer - bewilligt sind 385 Millionen Euro -, sondern auch kompliziert, denn sie soll bei laufendem Betrieb ausgeführt werden und wird sich deshalb über 15 Jahre hinziehen. Das wird allen Beteiligten viel abverlangen, umso bemerkenswerter ist der Paukenschlag, den die Ausstellung "Pergamon - Panorama der antiken Metropole" vorher noch landet. Nebenbei erinnert sie daran, dass uns die Griechen, die in Europa gerade so in Verruf geraten sind, nachhaltiger beschenkt haben als alle anderen.

Abgesehen von Asisis Rundpanorama zeigt Berlin erstmals seinen gesamten Pergamon-Besitz. Also nicht nur den berühmten Altar und das Athena-Heiligtum, sondern auch die vielen Stücke, die die Magazine seit ihrer Ankunft in Berlin nicht mehr verlassen haben. Kostbare Statuen und Münzen, Haushaltsgegenstände und Baumateralien (die Pergamener hatten dank eines Druckleitungssystems auf ihrem Berg fließendes Wasser!), Werkzeuge und Grabbeigaben. Dazu kommen überragende Leihgaben: Neapel hat die sogenannten vier kleinen Gallier und die Porträtbüste des Philetairos nach Berlin ausgeliehen, Rom wird Anfang 2012 den großen sterbenden Gallier auf die Reise schicken. Paris und Kopenhagen haben sich für das nächste Jahr von einzigartigen Münzen getrennt.

Insgesamt präsentiert die Schau 450 Exponate, darunter auch die schönen Skizzen und Aquarelle, mit denen man die Grabungsarbeiten damals dokumentierte. Dass sich die Türkei, auf deren Territorium das ehemalige Pergamon und heutige Bergama liegt, der Kooperation trotzig verweigert hat, schreibt man in Berlin dem langen Tauziehen um die im Sommer restituierte Sphinx von Hattusa zu. Scholl legt Wert auf die Feststellung, dass die Blockade in Ankara gelegen habe: "In Bergama hat man uns sehr unterstützt."

Das bekräftigt auch Asisi, der dort einige Tausend Fotos gemacht hat. Die wichtigsten von einem eigens errichteten 30 Meter hohen Gerüst aus, das ihm erlaubte, die Topografie des Burgbergs und der Landschaft zu erfassen, was für die Rekonstruktion des Stadtbildes am Computer unerlässlich war. Die Berliner würden den Panorama-Zylinder, der jetzt im Innenhof des Pergamon-Museums steht, deshalb nach Ablauf der Ausstellung gerne nach Bergama ausleihen. Aber darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

"Pergamon - Panorama der Antike": Ausstellung im Pergamon-Museum zu Berlin. Bis 30.9.2012