“Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ ist eine furiose Satire auf Eitelkeiten in der Theater- und Filmwelt

Hamburg. Jeder Schauspieler kennt das. Da sitzt man in der ersten Leseprobe friedlich mit den Kollegen am Tisch, bespricht den Text und irgendwann gleitet das Ganze kaum merklich ins Spiel selbst über.

Die drei Mimen erwarten den Zuschauer zur Premiere von Theresia Walsers "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm" in den Kammerspielen bereits auf der Bühne, schweigend um einen Tisch sitzend. In einer Talkshow sollen sie über ihre Hitler-Darstellung Auskunft geben, doch der Moderator ist nirgends zu sehen. Im Gespräch beginnen der Großschauspieler Franz Prächtel (Peter Bause), der arrogante Filmmime Peter Söst (Nicki von Tempelhoff) und Ulli Lerch (Kristian Bader), der es bislang nur zu einer Goebbels-Rolle gebracht hat, zu zweifeln: Hat die Show schon angefangen oder noch nicht? Ein absurdes Spiel mit den Realitätsebenen setzt ein.

Aus dieser Versuchsanordnung heraus beäugen und umkreisen sich die drei Selbstdarsteller wie hungrige Großkatzen, um sich mit feinnadeliger Häme zu piksen, dass einem das Theater fast als geschützter Raum erscheint. Und die Inszenierung von Michael Bogdanov gewinnt eine den Narzissmus des Schauspielers aufs Satirischste entlarvende Dynamik.

Das Stück spielt auf die Diskussion an, die sich nach dem Hirschbiegel-Film "Der Untergang" an der Frage entzündete, ob ein Monstrum wie Hitler spielbar sei. Sie beantwortet sich fast von selbst, wenn Prächtel seine bei Parkinsonkranken abgeschauten Hitlergesten unbewusst vorführt oder Söst sich ereifert, Hitler nie "als Mensch" gespielt zu haben. Die Dramatikerin Walser steht für eine aus der Mode gekommene Pflege von Rolle und Figur. Das kann man mögen oder als nicht zeitgemäß ablehnen, aber ihr Text ist sprachgewandt und die Schauspieler kolportieren ihn in Bestform.

Herrlich etwa, wenn der verkniffene Bause von einem Regisseur namens Dieter Fels als einem "Empfindsamkeitsgenie" schwärmt, hinter dem sich unschwer der Regisseur Peter Stein erkennen lässt. Nie ist die Selbstzerfleischung von Plattitüden gefährdet.

Hinter all dem verbirgt sich natürlich eine Kritik des Regietheaters. Da geht es um "Naturalismusschwindel" und "Radikalbuben", die jedes Stück mit "Schrumsmusik" zukleistern müssen. Auch wenn am Ende selbst der Applaus infrage gestellt wird. Hier fließt er reichlich, und das zu Recht.

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm: bis 18.12., Kammerspiele, Hartungstr. 9-11, Karten T. 0800/413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de