Im St.-Pauli-Theater hat der Liederabend mit Ex-Missfit Stephanie Überall Premiere

Nichts hören, nichts sagen, nichts spielen - müssen. Auch das kann eine Sehnsucht sein. Stephanie Überall kennt dieses Gefühl. 22 Jahre lang hatte sie mit Gerburg Jahnke die deutsche Kleinkunstszene aufgemischt. Mehr noch: Als Missfits waren sie in eine Männerdomäne eingedrungen, hatten auf populäre Art und Weise Feminin-Dogmen und Macho-Gehabe karikiert. Im Februar 2005 drehte das Kabarettduo im St.-Pauli-Theater seine "Letzte Runde" und sagte vertrauten Figuren wie "Matta" und "Lisbett" Ade.

"Ich gucke gern auf die Missfits-Zeit zurück, hatte damals aber auch ein großes Bedürfnis nach Ruhe", erzählt Stephanie Überall, wohl eine der komischsten Bohnenstangen, seit es Twiggy gibt. "Ich brauchte Zeit für Familie und Freunde." Sie kaufte sich einen Wohnwagen (Baujahr 1974), um mit ihrem "Herzallerliebsten" mal in Frankreich zu campen. Ihre Sehnsucht?

Gerburg Jahnke reüssierte derweil als Moderatorin und Regisseurin von Stücken wie "Kalte Colts und heiße Herzen" sowie der Wechseljahre-Revue "Heiße Zeiten". Doch irgendwann wurde ihre Sehnsucht nach Überall wieder wach. "Ich habe mir Bedenkzeit erbeten, als die Anfrage kam", sagt Stephanie Überall. In ihrer Schaffenspause hatte sie sich in der Hospizarbeit engagiert, um den Tod ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester zu verarbeiten. Aber das Bühnenthema "Sehnsucht" setzte nicht nur bei Frau Überall und Frau Jahnke - beide duzen sich oft per Nachname - neue kreative Kräfte frei. Statt im Duett entwickelten die 2004 als "Bürger des Ruhrgebiets" ausgezeichneten Kabarettistinnen Texte und Szenen, in Improvisationen mit Carmela de Feo, Constanze Jung und Nito Torres, dem schwulen Stripper Guido aus "Ganz oder gar nicht". Torres spielt die jüngste der vier Frauenfiguren, eine 17 Jahre alte angehende Arzthelferin, Stephanie Überall, 52, die älteste, die 57-jährige strenge Frau Zänker.

"Frau Jahnke hat ein Händchen für Besetzungen, sie ist eine leidenschaftliche Regisseurin und genau bis ins Detail," schätzt Stephanie Überall deren neue Rolle. Das Ensemble hat seinen Spaß und das Publikum am Mix aus Lieder- und Kabarettabend im Ebertbad so viel Freude, dass das Stück im Oberhausener Kleinkunst-Tempel seit der Vorjahres-Premiere mehrmals wieder aufgenommen wurde. Die Covernummern mit eigenen Texten spielen im ersten Teil im Wartezimmer, im zweiten geht es auf eine Reise. Überall: "Wir sind jetzt die Sehnsüchtlerinnen, aber es ist auch ein Stück für Männer."

Und diese "Sehnsucht" äußert sich auch am Tor zur Welt: Am 18.10. ist Hamburg-Premiere im St.-Pauli-Theater. Dort, wo für die Missfits 2005 alles endete, schließt sich der Kreis. Besser gesagt: Ein neuer öffnet sich.

Sehnsucht Di 18.-Sa 22.10., jew. 20.00. St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 15,90 bis 35,90 unter T. 47 11 06 66