Das Drama “Dreiviertelmond“ erzählt die Geschichte einer langsamen Annäherung.

"Merhaba, Nazi", begrüßt das kleine türkische Mädchen den Taxifahrer, legt sich auf die Rückbank und schläft ein. Vor ein paar Tagen hat sie dort mit ihrer Mutter gesessen, die mit dem grantigen Kutscher aneinandergeraten war und ihn als "Nazi" beschimpft hat. Für die Tochter hatte sie das fremde Wort mit "netter Onkel" übersetzt. Einen netten Onkel braucht die sechsjährige Hayat (Mercan Türköglu) nun dringend. Ihre Mutter arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff und ist für zwei Wochen nicht erreichbar. Die Oma hat beim Morgengebet der Schlag getroffen und liegt nun im Koma. Als Hayat das Gesicht des Taxifahrers wiedererkennt, vertraut sie sich ihm mit wortloser Bestimmtheit an.

Hartmut Mackowiak (Elmar Wepper) ist davon alles andere als begeistert. Ein Nazi ist er nicht, aber ein mürrischer alter Mann, dem gerade sein Leben auseinandergebrochen ist. Nach 30 Ehejahren wurde er verlassen. Da sitzt er jetzt allein in der nagelneuen Einbauküche, während seine Frau ein neues Leben mit einem anderen Mann begonnen hat. Das Türkenmädchen auf der Rückbank hat ihm da gerade noch gefehlt. Er fährt das Kind nach Hause und beginnt, sich äußerst widerstrebend um Hayat zu kümmern.

Es ist eine sehr schlichte Geschichte der langsamen Annäherung, die Christian Zübert in seinem Film "Dreiviertelmond" erzählt. Der alte Mann und das kleine, fremde Mädchen - wie leicht hätte diese Figurenkonstellation ins kitschige Rührstück abkippen können. Aber Zübert hält seinen Film mit unkonventionellen Plotwendungen in einer angenehm lakonischen Balance. Die Figur des mürrischen Taxifahrers, der sich durch das Kind vorsichtig an die türkische Kultur herantastet, ist jenseits multikultureller Wunschfantasien durch und durch glaubwürdig gestaltet. Nicht nur, weil Elmar Wepper die kontrollierten Emotionen seiner Figur so langsam und präzise entgleisen lässt, sondern auch, weil Züberts Drehbuch die Dialoge derart genau auf den Punkt bringt. Kein Gramm zu viel ist an den Sätzen, denen der fränkische Dialekt eine ganz eigene Poesie der Schlichtheit verleiht.

Bewertung: empfehlenswert

Dreiviertelmond D 2011, 94 Min., ab 6 J., R: Chr. Zübert, D: E. Wepper, Merkan-F. Türköglu, täglich im Holi, Koralle, Passage; www.dreiviertelmond.de