Es war das Jahr 1973.

Ich hatte gerade Abitur gemacht in einer miefigen Stadt im Rheinland und träumte von der großen weiten Welt und von den Abenteuern, die ich erleben wollte. Lou Reeds Song "Take A Walk On The Wild Side", das tranceartige Bariton Saxofon von Ron Ross und das hypnotische doop do do doop do doop ... der - heute sagt man: "African-American", damals hieß es: "colored" - Girlsband Thunderthighs und vor allem die androgyne Stimme von Lou Reed katapultierte mich aus der deutschen Provinz in die Freiheit.

"Holly came from Miami, F-L-A, hitchhiked her way across the USA. Plucked her eyebrows on the way, shaved her legs and then he was a she - she said: Hey Babe, take a walk on the wild side, said hey honey, take a walk on the wild side."

Damals wusste ich noch nicht viel über Gender, außer dass ich mich nie an eine traditionelle Frauenrolle anpassen würde, und ich fühlte mich eins mit Lou Reeds "Underdogs", den "Gender Benders", für die es in der Neuen Welt einen Platz gab.

Da wollte ich hin.

Es dauerte dann noch zehn Jahre, bis ich endlich in New York war, aber da war Andy Warhols Factory schon kein Ort mehr für die Außenseiter Holly Woodlawn und Candy Darling aus "Walk On The Wild Side".

Der Kreis schließt sich erst in den 90er-Jahren: Holly Woodlawn, meine Heroine aus Lou Reeds Song und eine der Warhol-"Superstars", traf ich erst weitere zehn Jahre später in Los Angeles.

Holly öffnete mir die Tür zu ihrem Apartment in West Hollywood, es war vormittags, sie staubsaugte gerade ihre kleine Wohnung und trank Whiskey aus einem Kaffeebecher. Sie war natürlich trotzdem "fabulous", und ich warb sie für einen Film an.