Die Ausstellung “Max Liebermann am Meer“ im Museum Kunst der Westküste auf Föhr ist eine reizvolle Ergänzung zur großen Hamburger Retrospektive

Alkersum/Föhr. Zeitgleich zur großen Liebermann-Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle widmet sich das Museum Kunst der Westküste auf der Nordseeinsel Föhr einem besonders reizvollem Einzelaspekt im Werk des Berliners Malers: seinem Verhältnis zum Meer. Liebermann war zwar zeitlebens nicht auf Föhr und malte, anders als etwa Edvard Munch oder die "Brücke"-Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, keine Motive aus deutschen Seebädern, sondern interessierte sich ausschließlich für die holländische Nordseeküste. Trotzdem passen seine Strandbilder gut ins Konzept des Hauses, das sich vor allem mit malerischen Positionen von Land und Meer in der norwegischen, dänischen, deutschen und niederländischen Kunst von etwa 1830 bis 1930 beschäftigt.

In der Ausstellung "Max Liebermann am Meer" wird Liebermanns Verhältnis zur holländischen Nordsee mit Ölgemälden, Pastellen und Zeichnungen nachgezeichnet, aber auch in Beziehung zu Künstlern wie Johannes Akkeringa, Michael Ancher und Jozef Israels gesetzt. Liebermann ist seit den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts immer wieder in den Sommermonaten nach Holland gefahren, nach Scheveningen, Noordwijk, Katwijk und Zandvoort.

Er hat sich am Meer erholt, es aber zunächst nicht gemalt. Seine "Netzflickerinnen", die Lichtwark 1889 für die Kunsthalle kaufte und die zu den zentralen Werken der jetzigen Hamburger Ausstellung gehören, zeigen Frauen, deren Arbeit eng mit dem Meer verbunden ist, ohne dass es selbst im Bild auftaucht. Dass er sich bis in die 1890er-Jahre kaum für die See interessierte, hängt mit seiner Vorliebe für soziale Themen zusammen. In dunklen Braun- und Grautönen stellt er Motive dar, die vor allem die Mühsal der Arbeit zum Inhalt hatten. Doch unter dem Einfluss der französischen Impressionisten hellte sich nicht nur seine Farbpalette, sondern auch seine Motivwahl auf. Nun wandte er sich den bürgerlichen Freizeitvergnügen zu, malte gut bevölkerte Gartenlokale, nachmittägliche Bootsausflüge, Polospieler und eben auch Strandszenen.

Die Ausstellung auf Föhr zeigt einerseits, wie sich Liebermann vom Realisten zum Impressionisten entwickelte, und andererseits, wie er dabei das Milieu wechselte: Nicht mehr geduckte Bauern und Handwerkerinnen bevölkern diese heiteren und hellen Bilder, sondern Menschen, die ihre Freizeit genießen, sich in die Fluten werfen oder am Strand ausreiten. Das Flirren des Lichts unter dem weiten Horizont, die Helligkeit des Sandstrände, die Szenerie der Promenaden, die Flaneure in ihrer eleganten Freizeitkleidung und die Badenden in den Wellen wurden für Liebermann zu einer neuen gestalterischen Herausforderung.

Seine erste, noch vorsichtige Annäherung an das neue Sujet ist in der Hamburger Ausstellung zu sehen: das 1895 in Scheveningen entstandene Bildnis seiner Frau Martha, die er im Lehnstuhl auf dem Balkon ihres Hotelzimmers darstellt. Mit dem Meer, das im Hintergrund unmerklich in den Himmel übergeht, tat er sich malerisch zunächst recht schwer. Es ist bei ihm fast nie blau, sondern braun, grau, gelb und weiß, oft hat er das Grau der Wellen und die weiße Struktur der Schaumkronen wuchtig mit dem Palettmesser aufgetragen.

Immer wieder hat Liebermann badende Knaben gemalt, ein Motiv, dem sich auch Künstler wie Cézanne intensiv gewidmet haben. Auf Föhr sind einige Gemälde aus dieser Motivgruppe zu sehen, darunter ein Gemälde, das 1902 entstand und zur Sammlung des Museums Kunst der Westküste gehört. Es zeigt eine Gruppe junger Männer, die nackt durch die Brandung watet und sich gegen die Wellen wirft. Links im Vordergrund ist als einzige bekleidete Figur ein Strandwächter zu sehen. Liebermann nutzt das Motiv, um die Vielfalt von Bewegungsabläufen darzustellen, Arbeiten auf Papier zeigen zugleich, wie intensiv er dieses Motiv entwickelt hat, das bei ihm frei von jeder Erotik erscheint.

Max Liebermanns Strandszenen, die auf Föhr wunderschön präsentiert werden, führen uns vor Augen, wie sich der Maler, dessen Kunst zuvor noch als "Schmutzmalerei" denunziert worden war, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf völlig neue Weise der Darstellung von Menschen in der Natur gestellt hat. "Die frische, salzige Seeluft ist förmlich zu riechen", heißt es in einem zeitgenössischen Urteil über diese Motive, die jetzt als reizvolle Ergänzung der großen Hamburger Retrospektive auf Föhr zu sehen sind.

Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr, bis 15.1.2012, bis 31.10. Di-So 10.00-17.00, Do bis 20.00, ab 1.11. Di-So 12.00-17.00