Sonja Glass und Valeska Steiner sind die Band Boy. Die Auftritte im Knust sind ausverkauft - Zusatzkonzert am 22. Februar im Gruenspan.

Hamburg. Valeska hat große grüne Augen mit einem ovalen Schnitt, die mittelblonden Haare sind lässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die 25-Jährige spricht mit leichtem, aber unüberhörbarem Schweizer Akzent und benutzt Wörter wie "aufgleisen". Sonjas Locken wirken etwas ungekämmt, oft streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Stimme ist dunkel, ihre Augen ebenfalls. Beide lachen gern und viel und fallen sich gegenseitig ins Wort. Sie sind schön, charmant und Hamburgs neues Fräuleinwunder in Sachen Popmusik. Valeska Steiner und Sonja Glass sind Boy.

"Casten kann man so was nicht", sagt Sven Hasenjäger über das Duo. Zusammen mit seinem Partner Arne Ghosh managt er die Sängerin und die Gitarristin, die mit ihrem Debütalbum "Mutual Friends" derzeit durch die Decke gehen. Gerade haben sie den europäischen Musikpreis Ebba gewonnen, sie stehen auf Platz neun der deutschen Albumcharts, sind Platz eins bei Amazon, zwei Hamburger Konzerte sind ausverkauft. Für beide Auftritte im Knust gibt es keine Tickets mehr, am 22. Februar wird Boy deshalb ein weiteres Konzert im Gruenspan geben.

Kennengelernt haben die Bassistin aus Hamburg und die Sängerin aus Zürich sich vor fünf Jahren beim Kontaktstudiengang Popularmusik an der hiesigen Hochschule für Musik und Theater. Sonja schlich sich damals in einen Sänger-Workshop um zuzuhören und sah dort Valeska. "Ihre Stimme hat mich von Anfang an fasziniert, und ich habe sie später angesprochen", erzählt die heute 33-Jährige mit blitzenden Augen. Doch noch ein weiteres Jahr verging, bevor Valeska aus ihrer Heimatstadt Zürich nach Hamburg umzog. Der Song "Drive Darling" erzählt von dieser Fahrt mit Valeskas ungeduldiger Mutter, die langsame Autofahrer vor ihr mit einem "Fahr, Schatzli" anzutreiben versuchte.

Doch bevor "Mutual Friends" im vergangenen Monat endlich erschien, brauchten Sonja und Valeska einen langen Atem. "Time is such a hungry beast", heißt es im "Waltz For Pony", doch die Zeit hat die beiden nicht aufgefressen. "Eigentlich wollten wir das Album schon vor einem Jahr herausbringen. Doch jede Woche hat sich bis jetzt gelohnt. Wir haben uns auch live weiterentwickelt", sagt Valeska. Und Sonja ergänzt: "Es war gut, dass wir uns mit dem Album Zeit gelassen haben. So ist es stimmiger geworden." Für das Mixen der Songs sind sie extra nach Schweden gereist, doch waren sie mit dem Resultat nicht zufrieden und haben es in Deutschland mit ihrem Produzenten noch mal neu abgemischt.

Das Resultat sind zwölf Songs, die von einigen Rezensenten in die Schublade Dream-Pop gesteckt wurden. Songs, die ein Stückchen Sommer mit in den Herbst und den Winter hinüberretten. Doch "Mutual Friends" enthält nicht nur verträumte und spielerisch leichte Balladen, sondern auch Songs mit einem federnden Beat wie "Little Numbers", "Oh Boy" oder "Silver Streets". Der lässige Drive bei den letztgenannten Nummern stammt von Thomas Hedlund, Schlagzeuger der Band Phoenix. "Valeska hat ihn bei einem Konzert angequatscht, und als er mit Phoenix in Hamburg war, ist er tatsächlich zu uns ins Studio gekommen und hat für uns getrommelt", erzählt Sonja.

Die gemeinsamen Songs schreiben die beiden übrigens nicht zusammen. Sonja ist für die Musik zuständig, Valeska schreibt die Texte. Gegenseitig schicken sie sich Ideen zu, obwohl sie nicht weit voneinander entfernt wohnen. "Diese Methode funktioniert ganz gut. Wenn wir einen Rahmen haben, können wir weiter daran arbeiten", sagt Valeska. Viele ihrer Texte haben einen autobiografischen Hintergrund wie zum Beispiel "Waitress". Nachdem sie nach Hamburg gekommen war, musste Valeska sich mit kleinen Jobs durchschlagen, unter anderem arbeitete sie regelmäßig in einem Café in Ottensen.

Die Kellnerinnenschürze wird sie bald abbinden können, denn nach dem furiosen Start ihres Albums reißen sich TV-Sender, Gala-Veranstalter, Festivals und Konzertklubs um das bezaubernde Duo. Selbst international könnte Boy Karriere machen, weil Valeska die Songs auf Englisch singt. "Hochdeutsch ist eine Fremdsprache für sie. Deshalb textet sie auf Englisch", sagt Sonja und lacht. Unter anderem steht das SXSW-Festival in Austin im Kalender der Manager. So mancher Newcomer hat von dort aus Karrieresprünge getan. Boy darf man das getrost zutrauen, denn sie haben alles, was man heute braucht, um sich durchzusetzen: Aussehen, Stimme, Musikalität, Selbstvertrauen. (abendblatt.de)