Die Red Hot Chili Peppers rühren ihren Funkrock am 9. Oktober in der O2 World an - hoffentlich wird der Gig mitreißender als das neue Album.

Das Jahr ist 1991. Und Rock ist hungrig! Nirvana pustet mit "Nevermind" den ganzen Rotz der 80er-Poser-Rocker so derart heftig vom Tableau, dass die verhaarsprayten Gegnerscharen schon mächtige Geschütze - das "Use Your Illusions"-Doppel von Guns N' Roses - auffahren müssen, um zumindest mit fliegenden Fahnen unterzugehen. Metallica erobert mit dem Schwarzen Album den Mainstream für den Metal. Und eine vierköpfige Funkrock-Band aus Los Angeles namens Red Hot Chili Peppers stellt den Exzess auf vier Säulen: "Blood Sugar Sex Magik".

Keines dieser Alben ist ein Debüt, sie sind, von Metallicas Schwatter mal abgesehen, alle Höhepunkte einer mal kürzeren, mal längeren Entwicklungsphase. Nichts, was noch kommt, wird dieses Niveau je erreichen.

Und was ist "Blood Sugar Sex Magik" für ein Killer. "The Power Of Equality", "Suck My Kiss" und "Sir Psycho Sexy" geben dem Bass dank Dicksaitenbieger Flea seine Würde zurück. Mit "Give It Away" und "Under The Bridge" platzieren Flea, Sänger Anthony Kiedis, Gitarrero John Frusciante und Trommler Chad Smith einen hyperventilierenden, zungengebrochenen Tanzflächenschraubenzieher mit Black-Sabbath-Schlusszitat und eine gepflegte Radioballade in den Hitlisten. Und dann ist da auch noch Produzent Rick Rubin, der die Jungs nach den vier seit 1983 erschienenen, durchgedrehten Vorgängerwerken dazu überredet, sich nur auf das Nötigste zu beschränken.

Bis dahin hatten sich die Chili Peppers verzettelt bei der Stilsuche, bei der Besetzung und bei der Genusssucht - Frusciantes Vorgänger Hillel Slovak stirbt 1988 an einer Überdosis Heroin. 1991 scheint aber alles zu passen, nur um wieder auseinanderzubrechen. Die Egotrips, die Drogentrips. Frusciante steigt aus, Dave Navarro von Jane's Addiction steigt ein. Die Fans sind mit seinen klassischen Rock-Riffs und Wah-Wah-Pedalstampeden überfordert und vermissen Frusciantes markantes, akzentuiertes Klingeln. Dass das Album "One Hot Minute" von 1995 heute Alesia-Status hat (man spielt nichts davon, man spricht nicht darüber), zeigt, wie sehr auch die Band Abstand von dieser Phase genommen hat.

Für "Californication" (1999), "By The Way" (2002) und "Stadium Arcadium" (2006) suchen Kiedis, Flea und Smith wieder die Nähe zu Frusciante und Abstand zu Rauschmitteln. Man reißt sich am Riemen und erntet dafür lange, lange schwarze Zahlen an CD- und Konzertkassen. Sie spielen nicht mehr wie zu Beginn im "Rhythm-Lounge"-Club in Los Angeles, sondern in den Stadien der Welt. Jetzt, 2011, sind die ersten Haare grau und licht geworden, die Tattoos verblassen, die Magie des So-noch-nicht-Gehörten verfliegt.

Auch auf dem aktuellen Album "I'm With You" werden die brisanten Mischungen aus Kiedis Ooh-Hee-Ooh-Refrains, Fleas Basspumpe, Smiths Donnerwetter und Rick Rubins Reglerballett ineinandergekippt. Es funkt mehr als in den letzten Jahren, man geht in die Disco, zum Balladenslam, manchmal sogar in den Pogokreis. Aber es zündet nicht. Es klingt enttäuschend beliebig, blutleer und fad. Und John Frusciante hat sich auch wieder aus dem Staub gemacht, sein Nachfolger Josh Klinghoffer findet auf "I'm With You" im Prinzip nicht statt. Das Jahr ist 2011. Und Rock ist satt.

Red Hot Chili Peppers So 9.10., 20.00, O2 World (S Stellingen + Bus 380), Sylvesterallee 10, Karten ab 72,20 im Vvk.; www.redhotchilipeppers.de