Meine Mutter kam nachts an mein Bett und sagte, ich solle mitkommen, da sei etwas in ihrem Schrank.

Es kam oft vor, dass Mutter mich nachts weckte, um mir etwas zu zeigen, das sie nicht verstand. Und so standen wir mal an Fenstern und sahen den Schatten draußen zu, schraubten Gitter von Abzugsschächten ab oder sahen der Dunkelheit im Treppenhaus so lange durch den Briefschlitz zu, bis wir wirklich etwas darin sahen.

Mutter sagte nie etwas, wenn sie mich weckte, sondern legte einfach nur ihre kalte Hand auf mein Gesicht. Oder blies mir Rauch durch die Nase in den Kopf, sodass es meist die Angst war, die mich weckte.

Moin, moin, sagte sie. Komm, und ich sah mir an, was sie nicht verstand. Nächtelang starrten wir in die Mundhöhle meines schlafenden Vaters, hatten mit Taschenlampen hineingeleuchtet wie in einen Brunnenschacht. Ich hatte meine Kinderhand hineinstecken müssen, wir hatten Pfennige hineingeworfen und gewartet, ob sie auf Grund schlugen.

In dieser Nacht zog sie mich zum Schrank. Leise, sagte sie, und wir lauschten. Und tatsächlich, je länger wir lauschten, um so deutlicher war das Mähen eines Schafes zu hören. Kurz darauf das Miauen einer Katze, woraufhin mich ein nässender Ausschlag zu umspinnen begann wie ein Kokon - Beweis dafür, dass es die Katze wirklich gab. Mutter klopfte gegen die Schranktür. Nun bellte ein Hund, Tiergeruch drang ins Zimmer.

Wir weckten Vater. Er öffnete die Tür und ließ die Tiere raus. 99 Schafe, 18 Katzen, drei Chihuahuas. Eng gepresst liegen sie nun in unserer Wohnung, der Boden ist nicht zu sehen. Nachbarn beschweren sich über den Lärm, denn wenn wir über die Tiere gehen, geben diese Töne von sich. Tierorgel, nennt Vater es.

Tiere im Schrank sind ein modernes Phänomen, dem Sabine Kirste am 6.10. im Westwerk eine Ausstellung widmet.