Ein Abend zu Ehren der großen Sofia Gubaidulina in der Freien Akademie der Künste

Hamburg. Gespenstisch glitschende Gitarrenglissandi und dazu ein Kontrabass, der in höchsten Höhen herumfiept. Das Stück "Pentimento" überrascht mit faszinierend fremdartigen Farben: ungewohnt für unsere Ohren und ganz typisch für Sofia Gubaidulina. Denn die große russisch-tatarische Komponistin, die seit 1992 zurückgezogen in Appen bei Hamburg lebt und arbeitet, liebt es, herkömmlichen und selbst konstruierten Instrumenten neue Klänge abzulauschen.

Die Experimentierfreude der weltweit erfolgreichen Komponistin spiegelte sich im Programm des ihr gewidmeten Porträtkonzerts in der Freien Akademie der Künste: Als die Gitarristinnen des Ensembles Mobile auf dem Korpus herumklopften oder - elektronisch verstärkt - an den Saiten schabten, meinte man, der Komponistin selbst bei ihren Klangstudien über die Schulter zu schauen. Und tatsächlich: Vor der Entstehung von "Pentimento" (2008) und von "Sotto Voce" (2009) hatte sie von den Musikern eine Gitarre geschenkt bekommen und daran die Möglichkeiten des Instruments erforscht.

Das erfuhren die Besucher von Akademiemitglied Peter Michael Hamel, der knapp in Gubaidulinas Stücke einführte und sie am Ende auch kurz interviewte. Ziemlich ausführlich fiel dagegen die Laudatio von Hermann Rauhe aus, die er selber als "Liebeserklärung" an ihr Schaffen bezeichnete.

Drei Wochen vor ihrem 80. Geburtstag würdigte Rauhe die "innere Leuchtkraft" der Werke, die "Kultur der Stille" und ihre tiefe Religiosität. Gubaidulinas Musik mit ihrer klar erkennbaren Handschrift sei trotz ihrer großen Meisterschaft niemals "L'art pour l'art", sondern trage immer eine "Botschaft der Menschlichkeit", betonte Rauhe. Wohl wahr.

Auch im "Seiltänzer" für Violine und Klavier - von Vladimir Anochin und Stepan Simonian hervorragend musiziert - ist die überbordende Virtuosität, die den Interpreten abverlangt wird, kein Selbstzweck. Durch ihre nimmermüde Energie kann sich die Geige dort nach und nach von den geräuschhaften Klängen des Klaviers losstrampeln. Ein Sinnbild für die Kraft der Musik: Sie eröffnet uns die Möglichkeit, die Zwänge des Alltags abzustreifen. Kunst ist für Sofia Gubaidulina das geistige Sprungbrett in eine höhere Existenz. Eine schöne Utopie.