Ein Wetteinsatz von Joachim Mischke

Heute, so gegen 13 Uhr, sind wir klüger. Die Bekanntgabe, an wen der Literatur-Nobelpreis geht, hat Jahr für Jahr ihre niedlichen Momente. Als wären wir beim Pferderennen oder Schwergewichtsboxen (obwohl - das passt ja in etwa ...), werden kurz vor der Bescherung britische Wettbüros nach den Quoten für die Kandidaten abgefragt. Peter Handke, auf Außenseiter abonniert, kommt mit 66 zu 1 lausig weg. Aber der hat es ja eh nicht so mit Preisen. Dafür bog ein guter alter Bekannter rasant in die Zielgerade: Bob Dylan.

Glaubt man den Nobel-Zockern, liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem libanesisch-syrischen Dichter Adonis. Der hat einerseits den schöneren Künstlernamen und andererseits auch noch die aktuelle politische Großwetterlage auf seiner Seite. Warum einen unkaputtbaren Barden wie His Bobness auszeichnen, wenn ein Preis auch ein Signal an Despoten und Freiheitskämpfer sein kann? Außerdem ist Adonis, der Zweitplatzierte, 81, Tomas Tranströmer aus Schweden 80 - und Dylan gerade mal 70. Kann also noch warten.

Wie alle Jahre wieder werden Literaturjournalisten heute ihr Mittagessen runterschlingen und mit starrem Lesebrillen-Blick so lange auf die Agentur-Meldungen schauen, bis das erlösende "EIL" aufblinkt. Und, sollte ein turkmenischer Stabreimdichter der glückliche Unbekannte sein, leise ihren Job verfluchen.