Die Hamburgerin Claudia Weiss entführt mit ihrem historischen Kriminalromans “Schandweib“ in das Hamburg des frühen 18. Jahrhunderts.

Hamburg. Es sind wahrlich keine Frohnaturen, die in jener Fronerei verkehren. Der Henker und seine Knechte sind es, die dort ihre Heimstatt haben, neben den Wohnräumen gibt es auch eine Schankstube, in der Bier schäumend in grobe Krüge ausgeschenkt wird. Im Keller des Gebäudes geht man anderen Arbeiten nach, dort werden, wie es damals laut Recht und Gesetz hieß, peinliche Befragungen abgehalten, Gefangenen also unter der Folter Geständnisse abgepresst.

Auf dem Richtplatz von St. Georg baumeln die Gerichteten im Wind, vor Altona kontrollieren die Dänen den Schiffsverkehr auf der Elbe, Hamburg im Jahr 1701. Die Stadt droht wegen der Blockade der Dänen wirtschaftlich in Not zu geraten, es ist Januar und es ist eiskalt an Alster und Elbe, als der nackte Leichnam einer Frau in einem Graben gefunden wird. Der Kopf ist ihr vom Leib getrennt worden - und Hinrich Wrangel, Prokurator am Niedergericht, hat seinen ersten Fall.

"Schandweib" (erschienen bei Hoffmann und Campe) ist der Titel des historischen Kriminalromans von Claudia Weiss, den die Hamburger Autorin am 4. November beim Hamburger Krimifestival auf Kampnagel präsentieren wird. Der Roman ist das Debüt der promovierten Historikerin, und es ist ein fürwahr farbiges und üppiges Gemälde jener Zeit, das sie auf gut 500 Seiten malt.

Claudia Weiss, 1967 geboren, erzählt die Geschichte der Ilsabe Blunk, einer jungen Frau, die aus armen Verhältnissen stammt, früh die Mutter verliert und versucht, sich in Männerkleidern durchzuschlagen. Kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der Aberglaube und vermeintliche Hexerei noch feste Konstanten sind im Denken der einfachen Leute. Doch Ilsabe ist geschickt, nimmt auch schwere Arbeiten an, mal auf See, mal an Land, und verdingt sich als Tagelöhnerin, immer stärker und authentischer die Rolle eines Mannes annehmend. So stark gar, dass sie mit einer Frau sich trauen lässt, in Wandsbek vor den Toren Hamburgs.

Als sie eines Tages in eine Messerstecherei verwickelt wird, bei der sie eine Frau verletzt, gerät Ilsabe in Haft, ihre Tarnung fliegt auf, und ein handfester Skandal ist da. Anwalt Wrangel wird ihr als Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, doch der junge, noch ein wenig unbedarfte Jurist weiß mit dem Mannweib, wie alle Welt die Inhaftierte zu nennen pflegt, auch nicht so recht etwas anzufangen, vor allem, weil sie anfangs jede Aussage verweigert.

Wirklich kompliziert aber wird die Geschichte, als der Vorsteher des Niedergerichts, Prätor Wilken, versucht, Ilsabe mit der kopflosen Frauenleiche in Verbindung zu bringen. Eine Frau, die in Männerkleidern umherzieht und sich mit anderen Frauen einlässt, scheint wie geschaffen, auch in einen Mordfall verwickelt zu sein. Alles eine Frage der falschen Moral.

Wrangel allerdings zweifelt an der Schuld seiner Klientin, und gemeinsam mit der schönen Tochter eines jüdischen Bankiers macht er sich auf, die Wahrheit zu ergründen. Dass er sich dadurch selbst in Gefahr bringt, denn seine Gegner erweisen sich als äußerst mächtig, ahnt er nicht.

Ungemein detailreich erzählt Claudia Weiss ihre Geschichte, das Hamburg jenes Jahres atmet in ihren verschwenderischen Schilderungen des Lebens auf den Straßen und in den Bürgerhäusern, lebendig sind ihre Charaktere. Auch die des Henkers, dessen handwerkliche Praxis samt der dafür benötigten Werkzeuge überaus plastisch in die Handlung einfließt. Behutsam steigert Claudia Weiss die Spannung, schlüssig ist die Dramaturgie der Story, der ein authentischer Kriminalfall jener Jahre zugrunde liegt.

Gemeinsam mit den Autoren Boris Meyn und Cay Rademacher gestaltet Claudia Weiss am 4. November beim Krimifestival die historische hanseatische Nacht: spannende Geschichten aus der Geschichte der Stadt.

Hamburg historisch: Claudia Weiss, Boris Meyn und Cay Rademacher lesen Harald Butz moderiert, Hamburger Krimifestival, 4.11., 18.00, Kampnagel, Karten zu 12,- in allen Heymann-Buchhandlungen, in den Abendblatt-Ticketshops und unter der HA-Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; Internet: www.krimifestival-hamburg.de

Claudia Weiss: "Schandweib". Hoffmann und Campe, 544 S., 19,99 Euro

5. Hamburger Krimifestival: 1.-5.11., Kampnagel, Karten ab 1.9. in den HA-Ticketshops, unter der HA-Ticket-Hotline 040/30 30 98 98 (Mo-Fr 8.00-19.00, Sa 8.00-13.00), in allen Heymann-Buchhandlungen und unter T. 040/48 09 30; www.krimifestival-hamburg.de