Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises gab es viele starke Preisträger, der große Pep aber fehlte der Gala

Köln. Modeclown Harald Glööckler erinnert in seinem schwarzen Paillettenkostüm an eine explodierte Discokugel und schafft es in der Kategorie "größtes Blitzlichtgewitter" locker aufs Siegertreppchen. Jörg Hartmann, der später den Preis als bester Schauspieler entgegennehmen wird, kommt relativ unerkannt durch die Menge. Auf dem roten Teppich herrschen bekanntlich eigen(willig)e Gesetze.

Der Deutsche Fernsehpreis, der im Rahmen einer festlichen Gala am Sonntag im Kölner Coloneum verliehen wurde, rettet diese Eigenwilligkeit, die Koexistenz von E und U, in den gesamten Abend hinüber: Seichtfilmikone Christine Neubauer (durchschnittlich neun Millionen Zuschauer) hält eine Laudatio auf das Ausnahme-Arthouse-Projekt "Dreileben" (mit Ach und Krach zwei Millionen Zuschauer).

Ehrenpreisträger Joachim Fuchsberger und die als beste Schauspielerin geehrte Nina Kunzendorf halten feinsinnige Dankesreden, während Laudator Heiner Lauterbach erzählt, wer ihn jetzt echt mal umgehauen hat. RTL-Frontmann Marco Schreyl versucht sich an Dichter-Deutung ("Goethe ist Goethe. Mehr geht nicht.") - überhaupt trauerte man angesichts seiner zähen Performance mit Ko-Moderatorin Nazan Eckes dem Dreamteam Anke Engelke und Bastian Pastewka hinterher, die aus der Fernsehpreisverleihung einst eine wahre Sause machten.

Dass Engelke gleich zweimal geehrt wurde - für die Comedy "Ladykracher" und ihre kongeniale, dreisprachige Präsentation mit Judith Rakers und Stefan Raab beim Eurovision Song Contest - war da nur ein schwacher Trost. Selbst Laudator Johannes B. Kerner und, ja, auch den Kollegen Markus Lanz hätte man mit Handkuss zum Weitermoderieren verpflichtet - hier lief also etwas entschieden schief.

An den Jury-Entscheidungen hingegen gab es nichts auszusetzen. Bester Fernsehfilm wurde das beklemmende Drama "Homevideo" über Internetmobbing, dem man für die Ausstrahlung am 19. Oktober (20.15 Uhr, ARD) von Herzen viele Zuschauer wünscht. Im Fall der besten Serie "Weissensee" um das tolle Ensemble Hannah Herzsprung, Jörg Hartmann und Florian Lukas darf sich der Zuschauer kommendes Jahr auf eine zweite Staffel freuen.

Schön, dass Denis Schecks "Druckfrisch", die einzige Literatursendung im deutschen Fernsehen, die diesen Namen auch verdient, einen Sonderpreis erhielt. Noch schöner, dass der 21-jährige "Homevideo"-Hauptdarsteller Jonas Nay mit dem Nachwuchspreis geehrt wurde, dem das Drehbuch nicht nur eine Masturbationsszene, sondern gleich eine ganze Palette von Gefühlsextremen zwischen zarter Verliebtheit und Totalzusammenbruch zumutet.

An den starken Preisträgern also liegt es nicht, dass der Fernsehpreis - anders als der Deutsche Filmpreis - bei allem Roten-Teppich-Glamour, dem Flying Buffet und den abgetrennten VIP-Bereichen immer auch ein bisschen provinziell wirkt. Vielleicht, weil die wirklichen Stars der Branche konsequent fernbleiben: Harald Schmidt, Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Hape Kerkeling lassen sich ebenso wenig blicken wie die Großschauspielerinnen Iris Berben, Maria Furtwängler und Veronica Ferres.

Der Fernsehpreis fühlt sich an wie ein großes, aber leicht lästiges Familientreffen: Die Patriarchen und die coolen Sippenmitglieder schwänzen, dafür tummeln sich viele Großcousinen dritten Grades auf der Party.

Hier wird erörtert: Wird Til Schweiger JETZT WIRKLICH neuer "Tatort"-Kommissar? Hat das ZDF tatsächlich KEINEN EINZIGEN Preis gewonnen? Oder auch: Muss man Rot statt Schwarz tragen, wenn man fotografiert werden will? (eine Produzenten-Ehefrau zu einer Produzentin). Vielleicht hätten sie einfach Harald Glööckler fragen sollen.