Zum Auftakt feiert das Theaterfestival “Das Werk“ - die sensationelle Inszenierung von Karin Beier

Hamburg. "Wann ist ein Theaterfestival ein Theaterfestival?", fragte Nikolaus Besch zur Eröffnung des 3. Hamburger Theaterfestivals am Sonntag. Nun wissen wir es: Es hat mit Auszeichnungen, Starnamen und Superlativen zu tun. Das Namedropping hätte sich der künstlerische Leiter des Hamburger Theaterfestivals allerdings getrost schenken können. Denn die von Besch eingeladene erstklassige Theaterkunst spricht für sich und zieht viele Besucher an. Außerdem wand Kultursenatorin Barbara Kisseler ihm und den spendablen Sponsoren des privat finanzierten Festivals verbale Dankesgirlanden und erhob deren Spendenfreudigkeit gar zum "Hamburger Nationalcharakter". Schön wär's.

Unbestreitbar ist Besch mit Elfriede Jelineks "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz" im Schauspielhaus ein glänzender Coup gelungen. Er nahm mit der Kölner Inszenierung der künftigen Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier deren Rückkehr an das Haus vorweg, an dem sie in der Baumbauer-Ära inszenierte. Das Publikum feierte mit Beier das fabelhafte Ensemble und ein außergewöhnliches Theatererlebnis.

Wasser gehört zu Alltag und Geschichte der Hafenstadt Hamburg. Dieser Satz trifft zielsicher den wunden Punkt Elbphilharmonie: "Die Baustelle ist ein Kampfplatz." Zwar bezieht sich Jelineks "Das Werk" auf ein Kraftwerk in Österreich, doch das geschilderte Ringen von Mensch und Technik gegen die Natur, gegen Geldgier und Hochmut der Firmen bleibt Thema des Abends, gewinnt Züge einer Lokalsatire, auch wenn im letzten Teil, "Ein Sturz", vom Kölner Stadtarchiv die Rede ist.

Wasser ist allgegenwärtig in Beiers Inszenierung. Die Schauspieler, darunter Caroline Peters, von ihren René-Pollesch-Sprach-Exerzitien am Schauspielhaus noch gut in Erinnerung, verschütten und spucken Wasser beim Requiem auf die toten Kaprun-Arbeiter, das die Regisseurin mit großem Chor zum imposanten Sprechoratorium steigert. Dessen akustisch-rhythmische Wucht kontrastiert sie zum Schluss optisch spektakulär mit Sand- und Wassergüssen. Auf überfluteter Bühne paaren sich die nackte Allegorie der Erde (Lina Beckmann) und der Wassermann (Krzysztof Raczkowski) in zerstörerisch-wildem Tanzakt.

Karin Beier zitiert in ihrer viele Theatermittel souverän ausreizenden Inszenierung die Regiekollegen Marthaler, Schleef und Stemann sowie das Tanztheater, in dem bereits manche Wasserschlacht geschlagen wurde. Bleibt zu hoffen, wider Jelineks Kassandra-Rufe, dass weder ein Finanzloch noch Wasser in Zukunft den Hamburger Konzerthaus-Neubau verschluckt. Mit dem Theater jedenfalls geht es in der Stadt derzeit steil bergauf. Bis Donnerstag ist jetzt das Wiener Burgtheater zu Gast in Hamburg,

Burgtheater: Der Parasit 4.- 6.10., jeweils 19.30, Thalia-Theater, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de ; www.hamburger-theaterfestival.de