Schauspieler Volker Lechtenbrink wirkt in “Heute weder Hamlet“ am Ernst-Deutsch-Theater zu wenig verloren für einen auf der Bühne Gescheiterten.

Hamburg. "Heute weder Hamlet" heißt Rainer Lewandowskis Ein-Mann-Stück, in dem ein Bühnenarbeiter unverhofft zum Schauspieler aufsteigt. Der Plot: Die reguläre "Hamlet"-Vorstellung wird abgesagt und Bühnenarbeiter Ingo Sassmann steht plötzlich im Mittelpunkt. Volker Lechtenbrink spielt diesen gewöhnlich unsichtbaren Theatermitarbeiter, der eigentlich nur zum Aufräumen der offenen Szenerie (Ausstattung: Thomas Pekny) erscheint und als Retter das Publikum mit seinen unerfüllten Träumen und Schicksalsschlägen unterhält.

Andreas Kaufmanns Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater bedient sich von Beginn an vieler Kniffe, die das Medium Theater zu bieten hat: kuriose Lichteinstellungen, Figuren- und Perspektivenwechsel, direktes Spiel mit dem Publikum. Die Thematik ist schnell durchschaut - Sassmann, zuständig fürs Auf- und Zuziehen des Vorhangs, stand einst selbst auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Ein tragisch-komisches Missgeschick verbannte ihn ans Randgeschehen der Bühne zum Vorhanghebel, dessen Funktion und Bedeutung jedoch von denen da vorne, den Darstellern, die den Erfolg allein einheimsen, vollkommen ignoriert wird. So wird auch Sassmann selbst ignoriert. Er ist nichts weiter als der Vorhang.

+++ Solostück von Lechtenbrink: "Heute weder Hamlet" +++

Aber was wäre das Theater, wenn dieser sich nicht öffnete? Es wäre nichts als ein Hörspiel für das Publikum. Und so sieht sich der Vorhang Ingo Sassmann selbst als Herrscher über die Welt des Scheins und Seins, der Wahrheit und Lüge, der Realität und Illusion.

Die Inszenierung spielt mit den verschiedenen Erzählebenen des Stückes, die mal die allgemeine Welt des Theaters zum Inhalt haben, mal Sassmanns Theaterwelt umkreisen und mal sein privates Leben mit seiner Frau Rebecca. Sassmann mokiert sich über die Welt des modernen Theaters und die Allüren der Jungschauspieler, die, seiner Meinung nach, das "Glaube, Liebe, Hoffnung"-Prinzip des klassischen Theaters ruinieren. Er erzählt aus seinem Leben mit und im Theater, von einer Zeit, als es noch Charakterrollen gab. Er hat sie fast alle gespielt: Hamlet, der heute ausfällt, den tragisch-komischen Tartuffe und Romeo, neben dem seine Frau Rebecca die Julia war. Seine reale und theatrale Biografie werden verwoben. Sein Leben ist das Theater und umgekehrt. Letztlich läuft alles ineinander, die Grenzen zwischen Realität und Illusion verschwimmen. Seine Frau Rebecca brach sich auf der Bühne das Bein. Ein komplizierter Bruch, anders als beim heutigen, deswegen erkrankten Hamlet. Rebeccas Bein bleibt steif, sie ertrinkt in einer übervollen Badewanne. Dieser Verlust ist die Tragik im Leben des Ingo Sassmann. Mit ihr verlor er gänzlich seine Identität, nachdem man ihn schon wegen des bereits erwähnten Missgeschicks als Schauspieler abgeschrieben und an den Bühnenrand verdrängt hatte.

Volker Lechtenbrink bleibt in dem durchchoreografierten Monolog zu wenig Spielraum, um die Tiefe der Figur auszuloten. Sein stellenweise kabarettistisches Spiel und das Hin- und Herspringen zwischen den verschiedenen Charakteren amüsiert zwar, doch hindert es den Schauspieler wohl daran, in Momenten der Ernsthaftigkeit seines Charakters auch unter die Oberfläche zu gehen und ehrlich auszuspielen, was die Figur bewegt und zeichnet. Zu wenig wirklich verloren wirkt er. Die Rampensau Lechtenbrink drängt sich vor die arme Wurst Sassmann. Er blüht auf, wenn er in große Bühnenfiguren schlüpft. Aber als gebrochener Mann will er nicht recht überzeugen.

"Heute weder Hamlet" ist trotzdem ein unterhaltsamer Slapstick, der über das Geschehen hinter den Kulissen sinniert. Das Premierenpublikum lachte gut und gerne darüber, hoffentlich ohne die subtile Tragik der Geschichte übersehen zu haben.